Hermann Scheer hat in einer seiner letzten Reden kurz vor seinem Tod im Jahr 2010, die wesentlichen Unterschiede zwischen einer echten Energiewende mit erneuerbaren Energien und dem Versuch eine Energiewende mit den alten Energieversorgern zu bewerkstelligen, beschrieben. Am Ende der Rede kommt er zu drei prinzipiellen politischen Ansätzen:
Zitat Hermann Scheer:
„Die herkömmliche Energiewirtschaft, die im Kern eine Primärenergiewirtschaft ist, wird mit dem Wechsel zu erneuerbaren Energien verschwinden. Das ist unausweichlich – unausweichlich – man muss sich dieser Tatsache stellen. […]
Von daher, es ist ein Wechsel, gleichzeitig von wenigen Anbietern, auch großen Kraftwerken und Raffinerien zu vielen in unterschiedlicher Größenordnung, die in der Summe die wenigen großen Anbieter ablösen. Es ist damit ein Wechsel in den Eigentümerverhältnissen. Es ist ein Wechsel auch der Energiewirtschaftsstrukturen, denn es wird neue andere Unternehmensformen hervorbringen und es wird zudem zurückkommen, womit die Energiewirtschaft übrigens einmal angefangen hat. Sie hat angefangen im Zuge der Industrialisierung als kommunale Energiewirtschaft. Und die kommunale Energiewirtschaft ist zunehmend an den Rand gedrückt worden durch diesen naturgegebenen, physikalisch vorgegebenen Zentralisierungsprozess, basierend auf der Abhängigkeit von herkömmlichen Energiequellen. Mit dem Wechsel zu erneuerbaren Energien kommt es zu einer Revitalisierung der kommunalen Energiewirtschaft. Die kommunale Energiewirtschaft ist der einzige Teil der heutigen Energiewirtschaft, der überlebensfähig ist, der nicht eine schrumpfende, sondern eine riesige neue Chance hat, und zwar dieses auf Dauer. Weil ein einmal vollzogener Wechsel zu erneuerbaren Energien einem von niemand mehr gestohlen werden kann. Das ist ein absolut entscheidender Faktor.
Das heißt es ist ein Wechsel in wirtschaftlichen Strukturen, weg von der Kapitalakkumulation in der Hand weniger zu einer breiten Kapitalstreuung. Welche Ausmaße dieses hat, soll eine Zahl zeigen. Ich nehme bewusst jetzt nicht eine gesamte Volkswirtschaft, ich nehme die Zahl einer Region, von sagen wir mal, bei uns zwei Millionen Einwohnern. Die durchschnittlichen Energiekosten bei uns in Deutschland sind gegenwärtig bei 2500 € pro Kopf. In einer vier Personen Familie sind das 10.000 €. Wer seine Kraftstoffrechnung nimmt, seine Stromrechnung, seine Heizrechnung, der kommt nicht auf diesen Betrag. Aber alles was wir sonst tun an Dienstleistungen, an Konsumgütern in Anspruch nehmen oder kaufen, in allem stecken Jahr Energiekosten drin. Das heißt es sind in der Summe, Energiekosten direkt oder indirekt, sichtbar oder nicht sichtbar, von 2.500 € pro Kopf im Jahr und das wachsend.
90% des Energieverbrauchs ist herkömmlich, d.h. es ist importiert. Und nun stellen wir uns vor diese 90% spiegeln sich auch in einer Region wider. In einer Region mit zwei Millionen Einwohnern, oder noch einfacher zu rechnen mit einer Million. Mit einer Million Einwohnern werden dann demgemäß bei 2.500 € pro Kopf jedes Jahr 2,5 Milliarden € für das Begleichen der Energierechnung ausgegeben, abzüglich 10% gegenwärtig – jedes Jahr 2,25 Milliarden €.
Das heißt der Wechsel zu erneuerbaren Energien, wenn er vollständig vollzogen ist, vollständig erreicht ist, bedeutet, dass diese 2,25 Milliarden im eigenen regionalen Wirtschaftskreislauf bleiben, also nicht zwangsläufig abfließen muss, weil man sonst ja gar nicht zu Aktivitäten kommt, wenn man nicht Energie importiert, es sei denn man stellt sie selber her aus heimischen Quellen.
Das ist gleichbedeutend mit einem, ohne bürokratischen Aufwand verteilten […] Wirtschaftsförderprogramm, einem sozialen Wirtschaftsförderprogramm, dass keine Regierung der Welt, jedes Jahr zu den üppigsten finanzwirtschaftlichen Zeiten je bezahlen könnte, keine einzige.
Das weist darauf hin, dass dieses die Chance für regionale ökonomische Entwicklung ist, neben all den damit verbundenen Umweltnutzen, weil bei dieser Rechnung die sozialen Umweltschäden der herkömmlichen Energieversorgung, der Gesundheitsschäden, ja noch nicht mal enthalten sind. Wenn man das noch hinzurechnet, sieht die Rechnung noch mal ganz anders aus. Das zeigt die Dimensionen: Die Hauptrolle des Energiewechsels liegt auf der kommunalen Ebene, dort liegt sie, unterstützt von den Länderebenen, da liegt sie.
Und dazu brauchen wir im Grunde genommen drei prinzipielle politische Ansätze.
Den einen haben wir gerade vor zehn Jahren angefangen zu realisieren. Das ist das Erneuerbare-Energie-Gesetz. Das Geheimnis dieses Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist, das ist Investorenautonomie geschaffen hat. Durch die garantierte Einspeisevergütung und den garantierten prioritären Netzzugang. Das Gesetz heißt, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien. Dass dieses durchkam, ist im Nachhinein fast ein Wunder. Das ist ja das erste Energiegesetz, das nicht von der Energiewirtschaft genehmigt worden ist. Das erste, dass gegen deren Willen durchgesetzt worden ist. Der Vorrang im Strommarkt. Genau dieser Vorrang steht jetzt in Gefahr.
Das zweite Element ist noch nirgendwo richtig voll realisiert worden, obwohl es dort riesige Unterschiede gibt. Das zweite ist ein Vorrang erneuerbarer Energien in der Bauleitplanung. Denn auch wenn es ein Vorrang im Energiemarkt gibt, mit der garantierten Einspeisevergütung, ist deswegen noch lange nicht gesagt, dass es ein Vorrang in der Bauleitplanung gibt. Der ist aber nötig, denn wir wechseln ja von wenigen Großkraftwerken oder Raffinerien zu vielen mittleren und kleinen die in der Summe das Große ersetzen. Dann ist aber jeder einzelne genehmigungsbedürftig, weil es raumbeanspruchend ist.
Und an der Stelle kann beliebig schikaniert werden und wird auch fast in einigen Regionen beliebig schikaniert. Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat man ja genau dieser Auseinandersetzungen gehabt: Genehmigung oder Nichtgenehmigung, und wer hinter den Nichtgenehmigungen steht, das kann man genau ansehen, das haben viele noch nicht begriffen. In Mecklenburg-Vorpommern musste Bauleitplanungsausweitung erfolgen, politisch… (Der Text von Minute 41:42 bis 43:16 wurde weggelassen, darin ist ein Beispiel enthalten) …. Es ist im Grunde genommen der Versuch über Genehmigungsverweigerung, über Verhinderungsplanungen, die Entfaltung Erneuerbarer Energien gar nicht erst entstehen zu lassen. Und wer hinter diesen politischen Versuchen steckt, sind die Regierungen, die unbedingt an der Atomenergie oder an Großkraftwerken festhalten wollten und die Begründung dafür haben wollten, nämlich dass es angeblich keine Alternative gibt, was man so lange begründen kann, solange man die Alternativen erfolgreich an der Entfaltung behindert hat. Vorrang in der Bauleitplanung ist der zweite wesentliche Faktor. Und darüber gehen die Auseinandersetzungen.
Der dritte wesentliche Faktor ist, dass wir nicht mehr akzeptieren dürfen, dass auf einem Energiemarkt, emissionsfreie Energien, neben andere gestellt werden, als ginge es nur darum, eine Marktpreisangleichung der erneuerbaren Energien zu erreichen.
Wo kommen wir eigentlich da hin, dass etwas was solche sozialen Schäden hervorruft, als marktadäquat zu akzeptieren? Wie kommen wir eigentlich da hin – jeder würde den Kopf schütteln, jeder, wenn gesagt wird, schmutziges Wasser, das nicht trinkbar ist und Kinder krank macht und zu Seuchen führt, soll dieselben Marktchancen und Marktpreise haben wie sauberes Trinkwasser, jeder würde den Kopf schütteln! Aber bei Energiedebatten wird genauso argumentiert, dass schmutzige Energie mit all diesen Folgen, dieselben Marktchancen haben oder sogar bessere haben oder beanspruchen will, als erneuerbare Energien.
Das ist Marktverzerrung, die hier stattfindet. Diese Marktverzerrung ist nur aufhebbar, wenn man in der Tendenz dazu kommt, dass man die herkömmlichen Energien so besteuert und die erneuerbaren Energien praktisch steuerfrei stellt damit endlich die gesellschaftliche Wahrheit in Bezug auf die Folgen der jeweiligen Energiequellen zum Ausdruck kommt und der Zug der Gesellschaft, die Bewegung der Gesellschaft auch ökonomisch in diese Richtung geht. Wir müssen in diesem Zusammenhang und nicht um Energiepreise argumentieren.
Ich bringe dieses auf die Spitze der heutigen Auseinandersetzung, in einem Buch, das in dieser Woche erschienen ist, das heißt, in Anlehnung an Wilhelm Ostwald, Der Energethische Imperativ, aber mit „t h„ geschrieben in diesem Fall, um die Energiefrage mit der ethischen zu verknüpfen.
Und es gibt keine linke Politik ohne ethische Grundlage. Und deshalb kann es auch keine linke Energiepolitik geben, die nicht auf erneuerbare Energien setzt und das schnell, und die Ablösung herkömmlicher Energien so schnell wie möglich vorantreibt.
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Wie kommen wir eigentlich da hin? Jeder würde den Kopf schütteln, wenn gesagt wird schmutziges Wasser das nicht trinkbar ist und Kinder krank macht, soll die Marktchancen und Marktpreise haben wie sauberes Trinkwasser. In der Energie haben wir das Gleiche. https://t1p.de/1kkb
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