Der günstigste Weg zur E-Mobilität: Kein E-Auto kaufen

Gastautor Michael Jungbluth

Sich weniger einschränken, mehr regenerative Energie nutzen

Holger Laudeley ist „Energieberater der ersten Stunde“ und hat auf diesem Gebiet 26 Jahre Erfahrung. Er besitzt in Hamburg-Ritterhude ein Gewerbegebiet mit, das bilanziell energieautark ist. In einem seiner Vorträge erklärt er ab Minute 34 folgendes: „Energiewende darf auf keinen Fall Komfortverzicht sein. Das machen die Deutschen auch nicht mit, das macht gar keiner mit. Was er einmal hatte, gibt er nicht mehr her. … Das ist das große Problem, dass Energieberater teilweise sagen: „Weniger verbrauchen!“ Wozu denn? Wir sind eine Industriegesellschaft. Ohne die letzten 250 Jahre, in denen wir fossile Energie verbrannt haben, wären wir nicht da, wo wir heute sind. Muss man fairerweise mal sagen. Es ist nur vorbei jetzt. Wir können nichts mehr verbrennen. Das ist der entscheidende Schritt.“

Im gleichen Video erklärt er außerdem, wie er schon vor 26 Jahren sein Elektro-Auto „CityEL“ mit selbst erzeugtem Strom aus Photovoltaik-Modulen („Balkonmodule“) geladen hatte. Kurz nach Veröffentlichung seines Videos dankte er seinen Zuschauern und schrieb in einem Kommentar: „Aufgrund der besorgniserregenden Berichte von Wissenschaftlern rund um den Globus, kann ich nur jedem raten sich schnellstmöglich mit Eigeneenergieversorgung und Elektromobilität zu beschäftigen. Denn wer glaubt, dass unsere Regierungen noch irgendetwas reißen können, ist leider völlig schief gewickelt. Wir Bürger müssen das Ruder jetzt rumreißen. Fangt an mit Euren Freunden und Bekannten über die Themen zu reden. Jeder kann was machen. So habe ich es auch gemacht. Ich lebe bereits so, wie Ihr alle in 15 Jahren leben solltet.“

Sektorenkopplung

Soll der Anteil Erneuerbarer Energien im Sektor Wärme und Verkehr stärker wachsen, muss dies mithilfe elektrischer Energie geschehen. In diesem Video wird sowohl der Ist-Zustand als auch die Wirkung der Sektorenkopplung erklärt, die uns an dieses Ziel heranbringt:

Das heißt, es müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, also der Ausbau der Kapazitäten (Anlagen für die Energieerzeugung, Verteilernetze und Speicher).

Ziel bis 2030 im Sektor Verkehr in Deutschland: CO2 Emission gegenüber 1990 minus 40%

Zu dumm, dass wir bis heute im Verkehr gegenüber 1990 noch kein CO2 eingespart haben. Zunächst stellt sich die Frage, welche Verkehrsmittel wir wie oft und wie intensiv nutzen.
Nach 2002 und 2008 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) 2017 das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH zum dritten Mal mit der Durchführung der Studie Mobilität in Deutschland (MiD) beauftragt.

Gestatten Sie mir vorab eine Bemerkung: Entscheidend ist oft, welche Verkehrsmittel wir GERNE nutzen. Es sind folgende Bewertungen der Studie hier extrem verkürzt zusammengefasst:

„Das Auto dominiert weiterhin“
„Dort, wo ein gutes Radverkehrsangebot besteht, wird dies von den Bürgerinnen und Bürgern auch in Anspruch genommen. Ähnliches gilt für die Angebote von Bus und Bahn und sogar für die Situation im Fußverkehr. Aktive Bemühungen um Verbesserungen zeigen also Wirkung.“
„Die Siedlungsstruktur bestimmt die Mobilitätsnachfrage ganz entscheidend.“

Ich möchte das gerne noch einmal wiederholen, weil es so wichtig ist: „Aktive Bemühungen um Verbesserungen zeigen große Wirkung.“ Mit anderen Worten: Damit die Menschen vom klimaschädlichen Auto umsteigen, müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden! Link zur Studie.

Wie schnell bekommen wir die Verkehrswende gewuppt?

Hand aufs Herz, Energiewende ist schon ohnehin ein komplexes Thema und leider werden die Deutschen beim Thema Auto sehr leicht emotional. Deshalb bitte ich Sie, jegliche Vorurteile gegenüber E-Mobilität vorerst mal auszublenden, denn diese werden in einem separaten Beitrag behandelt werden. Nur so viel sei an der Stelle gesagt: Die Frage ist, welchen Preis Sie in Zukunft bereit sind zu zahlen, um den Verbrenner als tägliches Verkehrsmittel nutzen zu können. Zunächst müssen wir also voneinander unterscheiden: Nutzung alternativer Antriebstechniken und Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel an sich. Fakt ist: Autofahren in Deutschland ist günstig und komfortabel. Wenn wir auf unseren Straßen die Autos in den nächsten Jahrzehnten reduzieren wollen, gelingt das nur mit politischen Entscheidungen. Ob der Politik dies gelingen wird, hängt wiederum von den Wählern ab. Wie auch immer, die breite Gesellschaft soll nicht verzichten müssen aber sie sollte im Gegenzug offen für Neues sein. Und das betrifft nicht die Berufspendler, denn der Arbeitsweg macht nur 25% der von uns insgesamt zurückgelegten Strecken aus.

Welches Verkehrsmittel hat die besseren Zukunftschancen?

Weg vom Auto, umsteigen aufs Fahrrad. – So einfach ist es nicht. Ich spinne jetzt mal und behaupte, dass wir mit ein wenig Weitsicht sogar wieder mehr Freude im Straßenverkehr haben können. Achtung Spoiler: Die besten Zukunftschancen rechne ich persönlich dem Elektroroller zu. Dadurch lassen sich sehr schnell und einfach 25 bis 50% der Jahreskilometerleistung des Autos ersetzen und eine Menge CO2 einsparen. Obendrein verkörpern sie Lebensfreude und schonen den Geldbeutel. Nicht zu verwechseln mit dem E-Scooter! Ich bin der festen Überzeugung, dass E-Roller, E-Mofa, E-Motorrad oder E-Enduro unser Stadtbild prägen könnten. Zuerst will ich aber die Nachteile vom Fahrrad und dem öffentlichen Nahverkehr aufzeigen.

Mit dem Fahrrad legt man für gewöhnlich Strecken bis zu 5 km zurück, mit dem E-Bike etwas mehr, also maximal 10 km. Was müsste sich ändern, damit mehr Menschen darauf umsteigen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Umfrage „Nationaler Radverkehrsplan 3.0“ vom BMVI im August 2019

Die Auswertung erzeugte nur ein nichtrepräsentatives Meinungsbild, kommt aber zu dem Ergebnis, das wohl alle gut nachvollziehen können: „Es stören eine schlechte Infrastruktur, ein hohes Unfallrisiko und der aggressive Umgang zwischen den Verkehrsteilnehmer/innen.“

Folglich brauchen wir mehr sichere Radwege, was mit relativ hohen Investitionskosten und langen Genehmigungs- und Bauzeiten verbunden ist. Das Auto nimmt viel Platz ein und es bedarf einer besseren Trennung zwischen den Verkehrsteilnehmern.

Der Busnahverkehr in Deutschland hat eine Kapazitätsauslastung von nur etwa 21% (Auf Seite 11: https://www.vdv.de/statistik-jahresbericht.aspx). Meine persönliche Meinung ist, dass sich die Auslastung – und damit verbunden die Wirtschaftlichkeit – nur durch einschlägige Maßnahmen steigern lässt. Die Liniennetze sind nicht mehr zeitgemäß und es dauert 15 Monate, bis ein Fahrplan umgesetzt ist. (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=aEEUiwab4yM)

Der Ausbau des Nahverkehrs wird mit hohem finanziellen Aufwand verbunden sein und die jährlichen Kosten werden Kommunen zusätzlich belasten. Alte Denkmuster in der Konzeption des ÖPNV reichen dazu nicht aus. Zum Beispiel sollte vor allem in ländlichen Regionen unbedingt intensiver an kleinere Fahrzeuge für die Personenbeförderung im Linienverkehr gedacht werden. Außerdem werden Bürger bei der Planung noch zu selten einbezogen.

Der Schienenverkehr hat die geringsten CO2-Emissionswerte pro Personenkilometer. Die Bundesregierung hat bekanntlich hohe Investitionssummen angekündigt, um das Verkehrsmittel zu stärken. Der Ausbau wird sich auf mehrere Jahre hinziehen. Für den Fernverkehr brauchen wir dringend moderne und zuverlässige Züge, damit die Menschen auf Inlandsflüge verzichten.
Bislang sehen wir also nur Lösungsansätze, eine gewillte Bundesregierung, hohe Kosten und die Hoffnung, dass sich die CO2 Emissionen im Verkehr reduzieren werden.

Ungleicher Wettkampf: Kostenintensive Infrastruktur gegen den schnellen Wandel

Zwei Dinge sind eindeutig: 1. Mit dem Ausbau des Straßennetzes lässt sich kein CO2 einsparen. 2. Um die Jahrtausendwende wurden viele Bahnstrecken stillgelegt oder gar zurückgebaut:
15,5% der Länge des Netzes, 17,7% der Länge aller Gleise, 44,4% aller Weichen und Kreuzungen, 65,7% aller Privatgleisanschlüsse. Quelle: https://www.bahn-fuer-alle.de/media/docs/2008/db-memorandum-bodack_april2008.pdf

Bus und Bahn müssen jedoch nicht nur aus- und umgebaut sondern moderner und attraktiver werden, um gegen neue Mobilitätskonzepte konkurrieren zu können. Die Kosten für den Umbau sollte man dabei nicht unterschätzen, wie hier am aktuellen Beispiel der Stadtwerke Bielefeld sehen ist: „Gründe für die Verschlechterung seien stagnierende Fahrgastzahlen, teure Baumaßnahmen und neue Angebote wie On-Demand-Verkehre oder der Leih-Elektroroller Alma, heißt es.“

Quelle: https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Bielefeld/Bielefeld/4056953-Digitalisierung-und-Verkehrswende-als-teure-Herausforderungen-Verluste-bei-Mobiel-und-Bitel-belasten-Stadtwerke

Investitionen bedeuten also nicht nur Chancen sondern auch Risiken. Und noch etwas: Wie transparent ist das für die Bürger?

Individualverkehr ohne Auto

Die wohl stärksten Konkurrenten zu Bus und Bahn im Nahverkehr sind neue Angebote wie Sharing- und Shuttle-Dienste. Die Ökobilanz dieser Angebote ist individuell zu beurteilen. Außerdem sind sie im ländlichen Gegenden kaum zu finden. Aber gerade hier wäre der Einsatz außerhalb des Berufsverkehrs wirtschaftlicher und durch Elektromobilität emissionsarm. Car-Sharing ist immer mal wieder in Kritik geraten, weil Bürger dieses Angebot „als Zweitwagen missbrauchen“ würden. Ich frage mich nur, wo das Problem dabei liegt, solange man Fahrten mit dem Verbrenner durch Fahrten mit dem E-Auto ersetzt. Ohnehin wird es in Zukunft immer mehr von Bedeutung sein, ein Verkehrsmittel intelligent zu nutzen anstelle es zu besitzen. Je nach persönlichem Fahrprofil kann man somit auch Geld sparen.

Verkehrswende ja, aber wo bleibt da der Spaß? – Ein Stück „dolce Vita“

Im Gegensatz zum Fahrrad ist man mit einem Elektroroller nicht auf Radwege angewiesen und man findet trotzdem ganz leicht einen Parkplatz. Einen E-Roller darf man mit dem Autoführerschein fahren sofern er auf 50 km/h begrenzt ist. Die CO2 Emissionen pro Kilometer in Gramm zum Vergleich: Verbrenner etwa 160 Gramm, E-Auto mit Strommix in Deutschland 75 Gramm, E-Roller mit Strommix in Deutschland 9 Gramm.

Natürlich wird die Ökobilanz umso besser, je mehr Personen gleichzeitig befördert werden. Ebenso wird die Ökobilanz des E-Auto durch Solarstrom besser, wenn man eine eigene Photovoltaik-Anlage nutzt. Jedoch wird es in der Praxis kaum zu möglich sein, das E-Auto immer mit 100% regenerativer Energie zu versorgen. Das Verhältnis eines E-Roller gegenüber eines E-Autos (E-Golf, Zoe, Leaf): Die Batterie ist etwa 20-mal kleiner, der Verbrauch ist 7 mal geringer, der E-Roller ist 20 mal leichter. Die Ökobilanz ist demnach viel besser. Die Akkus wiegen jeweils 10 kg, sind herausnehmbar und lassen sich an der Steckdose (Ladeleistung 600 Watt pro Akku) innerhalb von 2 Stunden voll aufladen. Demnach ist das Laden beim E-Roller mit weitaus weniger Aufwand verbunden. Reichweite 50-240 km je nach Modell, denn in vielen Modellen ist gleichzeitig Platz für 2-3 Akkus. Der Gepäckraum ist ausreichend für kleine Einkäufe, beim App Scooter (Hersteller ETERGO) fasst er sogar 60 Liter (Getränkekiste!). Der Preis bewegt sich zwischen 2000 und 5300 EUR je nach Modell.

Ob die Anschaffung sinnvoll ist, bestimmt das persönliche Fahrprofil. Ich selbst wohne ländlich und ich fahre 7 km über die Landstraße in die Stadt. Auf der Strecke ist die Geschwindigkeit zum Großteil auf 70 km/h begrenzt. Ich fahre fast ausschließlich alleine und meist kurze Strecken bis etwa 15 km. Die Busverbindung bei uns ist sehr dürftig. Sichere Radwege? – Fehlanzeige! Deshalb sind E-Roller meines Erachtens eine echte Alternative. Das sollte doch sogar den E-Auto-Skeptikern gefallen.

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