Wirksamer kommunaler Klimaschutz

Handlungspotenziale richtig Nutzen

Dorf mit Dachsolaranlagen

Gastbeitrag von Svend Andersen

Deutschlands Stand beim Klimaschutz

Wie es mit den internationalen Klimaschutzanstrengungen oder besser gesagt – Verhinderungen aussieht, war einmal mehr eindrucksvoll bei der letzten internationalen Klimakonferenz im Dezember 2023 zu erleben. Die üblichen Verdächtigen, vor allem die ölproduzierenden Staaten agierten und intrigierten noch offensichtlicher als sonst, um jeglichen wirklichen Fortschritt zur globalen Treibhausgasreduktion zu verhindern. Die wohl kreativste Variante dieser Aktivitäten war Saudi-Arabiens Vorschlag, sich mehr mit der „Kreislaufwirtschaft von Öl“ zu beschäftigen, anstatt mit dem Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe.

Auf nationaler Ebene ist die Lage nicht viel besser. Auch wenn Deutschland auf dem internationalen Parkett immer dabei ist bei Konferenzen, Vereinbarungen und Absichtserklärungen – zu Hause gibt es nicht viele Erfolge in Punkto Klimaschutz zu vermelden. Besonders in den Bereichen „Gebäude“ und „Verkehr“, wo effektive nationale Regelungen den größten Hebel darstellen könnten, sieht es bescheiden aus. Die Treibhausgasemissionen steigen in diesen Bereichen kontinuierlich, ohne dass eine Trendwende in Sicht ist. Natürlich gibt es politischen Widerstand gegen Klimaschutz auch in Deutschland selbst von vielen Seiten, aber die erheblichen handwerklichen Fehler bei der Umsetzung, Kommunikation und Gestaltung der nationalen Klimaschutz-Maßnahmen durch die Verantwortlichen in Berlin, beflügelt diesen noch in ganz erheblichen Maßen und verhindert damit jedweden wirklichen Fortschritt.

Das heißt, sowohl auf internationaler wie auf nationaler Ebene läuft es nicht wirklich gut in Bezug auf den Klimaschutz. Damit ist es vielleicht umso wichtiger, wenigstens Klimaschutz auf kommunaler Ebene mit effektiven und wirklich wirksamen Lösungsansätzen anzugehen, damit wir wenigstens dort nicht noch mehr Zeit mit nichts tun oder mit Ablenkungsmanövern verschwenden. Die Hoheitsgewalt der kommunalen Selbstverwaltung eröffnet der Stadt oder der Gemeinde in der wir leben, ganz erhebliche Handlungspotenziale. Aber werden diese auch wirklich gut genutzt?

Kommunaler Klimanotstand

Im Laufe des Jahres 2019 haben laut Übersicht bei Wikipedia.org 74 Städte den Klimanotstand verkündet. Im Vergleich zu 2056 Städten in Deutschland, die verwaltungsrechtlich selbständige Kommunen mit Stadtrecht sind, ist das ein Anteil von lediglich 3,6 Prozent. Auch wenn das nur ein kleiner Anteil ist, könnten diese Städte, wenn sie Erfolge beim Klimaschutz vorweisen können, eine Vorbildfunktion einnehmen. Bei einer Durchsicht der Klimaschutz-Informationen auf den öffentlich zugänglichen Webseiten dieser Städte scheint es allerdings, dass nur ganz wenige dieser Städte bisher ihre selbstgesteckten Klimaziele erreicht haben. Auch geschätzte 1300 Stellen für Klimaschutzmanagement (laut Magazin „kommunal“) in den circa 11.000 Kommunen in Deutschland sind kein Anzeichen einer breit aufgestellten Klimaschutzinitiative auf kommunaler Ebene.

Laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2023 sind Städte jedoch der entscheidende Hebel, um globale Treibhausgasemissionen zu reduzieren. 70 Prozent aller Emissionen entstehen laut dieser Studie in oder durch Städte. Aber was bedarf es dieses Potenzial zu heben? Wo anfangen? Was sind Klimaschutz Strategien die funktionieren auf kommunaler Ebene und was hat in der Vergangenheit vielleicht auch nicht funktioniert?

Ist es erstmal notwendig, den Klimanotstand auszurufen, um als Kommune politisch ins Handeln zu kommen? Natürlich ist es hilfreich, einen politischen Beschluss zu fassen, sich diesem Thema überhaupt verpflichtet zu fühlen. Allerdings sind deutsche Gemeinden dazu sowieso verpflichtet– zumindest auf dem Papier –, da die Bundesrepublik ganz allgemein Mitglied im United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) ist, und im Speziellen Unterzeichnerin des Pariser Klimaabkommens ist. Aus der Vereinbarung aus dem UNFCCC Rahmenabkommen ergeben sich die Verpflichtungen der „Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau, das gefährliche anthropogene Störungen des Klimasystems verhindert.” Das bedeutet konkret eine schrittweise signifikante Reduzierung des Treibhausgasausstoßes bis zu den Jahren 2030 und 2050. Den Klimanotstand zu deklarieren, bestätigt eigentlich nur die Tatsache, dass wir ein Problem haben, aber daraus ergeben sich noch nicht notwendige konkrete Handlungsanweisungen. Das erklärt, warum Städte, die den Notstand deklariert haben, nicht unbedingt viel weiter sind beim Klimaschutz als andere. Deshalb ist es wesentlich sinnvoller und der Sache dienlicher, auch auf kommunaler Ebene einen verbindlichen Beschluss zur Treibhausgasreduzierung zu fassen – am besten in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen, aber zumindest mit den nationalen Reduzierungszielen und dem Verweis auf das UNFCCC.

Klimaschutzmanager

Braucht es eine Stelle für Klimaschutzmanagement, um die Treibhausgasreduzierung einer Stadt voranzutreiben? Meine Erfahrung aus den letzten Jahren hat gezeigt, dass das Delegieren dieser Verantwortung auf eine Person neben vielen Vorteilen auch Nachteile mit sich bringen kann. Der Rest der Organisation kann schnell in einen Modus verfallen, bei dem diese eine Person die Verantwortung für die Realisierung aller Klimaschutzziele trägt und alle anderen sich weiterhin unbeeinträchtigt auf ihr Tagesgeschäft konzentrieren. Dass das selbst unter den besten Umständen eine unmöglich zu bewältigende Herausforderung ist, ist wohl klar. Zusätzlich werden in vielen Bereichen der Organisation Entscheidungen getroffen, von denen diese Person ausgeschlossen ist, weil sie keine expliziten „Klimathemen“ sind, die aber ganz entscheidenden Einfluss auf die Treibhausemissionen der Kommune haben. Treibhausgasreduzierung in einer Stadt muss eine klar definierte Aufgabe der ganzen Stadtverwaltung sein. Jede zusätzliche personelle Ressource ist dabei hilfreich, darf aber kein Outsourcing des Problems zur Folge haben.

Absichtserklärungen

Braucht es eine lange Liste von Maßnahmen zum Kilmaschutz? Der Blick auf die Klimaschutzstrategien vieler Städte – sofern es sie überhaupt gibt – offenbart oft eine Vielzahl von Maßnahmen und Absichtserklärungen. Diese sind häufig in die Jahre gekommen und es gibt wenige Anzeichen dafür, dass diese auch in die Tat umgesetzt worden sind, jedenfalls meist nicht in dem Umfang wie geplant. Es scheint auch reichlich unwahrscheinlich, dass eine Organisation, die meist nicht genug Geld und Personal hat, ihren regulären Aufgaben nachzukommen, dazu in der Lage ist, eine Vielzahl von zusätzlichen Maßnahmen umzusetzen. Hier ist Scheitern vorprogrammiert.

Wirkungsvolle Ansätze im kommunalen Klimaschutz

Konzentration auf das Wesentliche

Was hat sich also erfahrungsgemäß als wirkungsvoller Ansatz im kommunalen Klimaschutz herausgestellt? Kurz gesagt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das Wesentliche ist die Treibhausgasreduzierung und diese sollte so effizient wie möglich und evidenzbasiert angegangen werden. Evidenzbasiert bedeutet: Die Maßnahmen sollten sich auf die größten Treibhausgasquellen konzentrieren. Es gibt nur drei Aktivitäten, bei denen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen:

  1. Bei der Verbrennung. Das beinhaltet natürlich die Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber auch die Verbrennung von Müll und Holz oder anderer Materialien
  2. Bei biologischen Abbauprozessen, wie sie zum Beispiel in offenen Klärbecken und offenen Kompostanlagen stattfinden. Beide produzieren große Mengen des Treibhausgases Methan.
  3. Beim direkten Entweichen von Treibhausgasen, wie zum Beispiel, wenn beim unsachgemäßen Abbau von Klimaanlagen das Kühlmittel in die Atmosphäre entweicht, aber auch beim Tagebau, bei dem mit jedem Aufreißen der Erdschichten riesige Mengen an Methan freigesetzt werden.

Wie stelle ich fest, was in meiner Stadt oder Gemeinde die größten Treibhausgasquellen sind? Dafür gibt es in der Treibhausgasbuchhaltung eine zuverlässige DIN-Norm. Und zwar DIN EN ISO 14064-1, „Spezifikation mit Anleitung zur quantitativen Bestimmung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen und Entzug von Treibhausgasen auf Organisationsebene“. Das Ziel dieses Inventarstandards ist es, einen umfassenden Überblick über die Treibhausgasemissionen innerhalb des direkten und indirekten Kontrollbereichs einer Stadt oder Gemeinde zu geben. Es werden Tätigkeiten, die unter direkter Kontrolle der Stadt/Kommune stehen, sowie Tätigkeiten, die als traditionelle kommunale Aufgaben angesehen werden, berücksichtigt und einbezogen. Territoriale Grenzen werden damit automatisch mitberücksichtigt, weil sich die Jurisdiktion der Stadt oder Gemeinde auf ihre territorialen Grenzen beschränkt, also den Bereich der Hoheitsgewalt. Dieses Treibhausgasinventar dient als Grundlage, um einen umfassenden Überblick über alle Treibhausgasemissionen zu bekommen und so ein tieferes Verständnis für die wichtigsten Hebel zu entwickeln, die die Kommune zur Verringerung der Emissionen einsetzen kann. Bei der regelmäßigen Anwendung dieser Methodik ergibt sich auch ein solides Erfolgsmonitoring.

Verständnis für die Effizienz

Neben dieser Evidenzgrundlage ist auch ein Verständnis für Effizienz beim Klimaschutz notwendig, um erfolgreich zu sein. Effizienz bedeutet, dass Maßnahmen priorisiert werden, die mit geringstem Kostenaufwand die meisten Treibhausgase in der kürzesten Zeit reduzieren.

Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die energetische Sanierung von Gebäuden ist meist ganz oben auf der Liste der Klimaschutzmaßnahmen von Kommunen. Wenn ich allerdings das Effizienzkriterium an diese Maßnahme anlege, muss ich feststellen, dass die energetische Sanierung von hunderten oder gar tausenden von Gebäuden in einer Stadt oder Gemeinde sehr lange dauert und sehr kostenintensiv ist, außerdem birgt sie nur eine geringe Treibhausgasreduzierung von 10 bis 30 Prozent. Der verbleibende Energieverbrauch ist weiterhin sehr treibhausgasintensiv.

Wie geht es effizienter? Eine Dekarbonisierung der lokalen Energieversorgung durch Solar- und Windenergie sowie Erdwärme betriebene Nahwärmenetze reduziert für viele Gebäude die Treibhausgase mit einer Maßnahme um 80 bis 90 Prozent und das im besten Fall zu geringeren Kosten pro Gebäude. Außerdem ergeben sich durch eine regionale oder lokale Energieversorgung mit erneuerbarer Energie im Laufe der Zeit auch erhebliche Kostenersparnisse für die Kommune. Die Dekarbonisierung von Energie ist also eine wesentlich effizientere und kostengünstigere Strategie zur Reduzierung von Treibhausgasen als eine Fokussierung auf die Gebäudesanierung.

Effektiver Klimaschutz in Städten und Gemeinden konzentriert sich also auf die kommunale Dekarbonisierung von Energie und fordert ein regelmäßiges Treibhausgasmonitoring nach DIN-Norm ein, um den Erfolg zu messen und zu belegen. Des Weiteren ist es möglich, bei einer DIN-Norm konformen Quantifizierung der Treibhausgasreduktion die Emissionsreduktionen zu monetarisieren, beispielsweise in Form von Emissionskrediten. Der Verkauf dieser Kredite kann in manchen Fällen sogar die Rückzahlung der Investitionen in die Dekarbonisierung der lokalen Energieversorgung finanzieren. Diese Möglichkeiten bietet eine nach DIN-ISO-Norm geregelte Treibhausgasbuchhaltung, die sich Städte und Gemeinden bisher viel zu wenig zu Nutze machen.

Über den Autor

Svend AndersenSvend Andersen (Autor: Der Weg aus der Klimakrise) MBA, Dipl.-Psych., ist Treibhausgasbuchhalter, Klimaschutzexperte und Psychologe mit über 20 Jahren Erfahrung im Bereich Umweltmanagement. Svend hat sich seit 2005 auf die Arbeit mit den ISO 14000-Reihen und den Treibhausgas-Buchhaltungsstandards ISO 14067/9/4-1/2/3 konzentriert. 2009 gründete er GHG Accounting, die Firmen und Institutionen bei der Erreichung ihrer Umweltmanagementziele unterstützt. Svend war in leitenden Positionen in Kanada, Hongkong, Deutschland und den USA tätig. Er wurde 2015 vom Bundesumweltministerium und von der Universität Süddänemark eingeladen, einen Beitrag zu den kommunalen Komponenten der COP 21-Erklärungen der Vereinten Nationen in Paris zu leisten. Das von Svend und seinem Team entwickelte Treibhausgasbilanzierungssystem wird von der Regierung von British Columbia genutzt, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zur Klimaneutralität für alle 36.000 öffentlichen Einrichtungen zu überwachen. Svend Andersen ist Gastdozent an der University of British Columbia, dem British Columbia Institute of Technology und der Simon Fraser University.

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