Energiekonzerne – der Versuch Fridays for Future zu unterwandern

Eigentlich bin ich ja vom Hocker gefallen, als ich mir das Webinar von FridaysforFuture, mit dem Titel „Kai Bergmann von Germanwatch und Niels Ehlers von den Netzbetreibern sprechen über die Realisierung von 100 Prozent Erneuerbarer Energie“, ansah. Wer ist dieser Nieles Ehlers von den Netzbetreibern? Haben die Netzbetreiber jetzt auf einmal die schnelle und effektive Energiewende im Sinn? Nein, sie verbreiten die alten Mythen und es kommt noch viel schlimmer, aber seht selbst.

Fridays for Future ist die Bewegung, die Greta Thunberg ins Leben gerufen hat und das, was bisher keiner Umweltschutzbewegung gelungen war, ist ihr gelungen. Mit ihren Schulstreiks haben die Fridays den notwendigen Klimaschutz der Gesellschaft wieder ins Bewusstsein gerufen. Und auch wenn jetzt ein Virus im Mittelpunkt allen Geschehens steht, das Problem Klimaschutz besteht weiterhin, es ist nicht verschoben. Im Gegenteil schon wieder wurde Zeit versäumt, schon wieder werden im Hintergrund Pläne geschmiedet, notwendige Dinge zu verzögern, zu behindern, um unangenehmen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen. Die Politik hat sich keinen Millimeter bewegt. Sie schmiedet an einem Rückzug und versucht die alten Konzepte:  CDU-Wirtschaftsrat will Klimaziele kippen

Seit 40 Jahren ist bekannt, dass wir ein Problem mit dem Klima haben. Und endlich hätte man die Hoffnung haben können, das Problem wäre ernst genommen worden. Nein, das ist es nicht und nein, man verdrängt schon wieder. Anscheinend existiert es in den Köpfen konservativer Politiker überhaupt nicht. Sind alle wie Philipp Amthor, die Geheimwaffe gegen Rezo

Von Rückkopplungsschleifen und Kipppunkten, die in wenigen Jahren schon zu unumkehrbaren Klimaentwicklungen führen und auch in 1.000 Jahren nicht repariert werden können, die unsere Welt und das Leben auf dem Planeten nachhaltig schädigen werden, weiß man nichts oder man will nichts wissen. Das ist unbequem. Dass wir längst am Anfang eines neuen großen Artensterben stehen, das erdgeschichtliche Ausmaße hat, wird ignoriert und nicht thematisiert. Es gilt: weiter höher und schneller, weil man glaubt, dass das die notwendigen Prämissen wären, die die Wirtschaft in Gang halten. Und das auf einem Planeten wo Menschen jedes Jahr mehr Ressourcen verbrauchen, als sie der Planet liefern kann. So etwas passt aber nicht in betriebswirtschaftliche Betrachtungen, also wird es ignoriert. 

Was passiert eigentlich mit jungen Menschen, die es geschafft haben 1,4 Millionen Menschen auf die Straße zu bringen und die jetzt erfahren müssen, dass man sie nun wieder ignoriert und ihr Thema an die Seite drängt und sie klein macht? Das macht Frustration und Resignation und es scheint, dass man genau damit rechnet und hofft, der Protest möge möglichst ganz abflachen. Und selbstverständlich werden hinter den Kulissen alle Möglichkeiten abgeklopft, was man machen muss um die Sache irgendwie in den Griff zu bekommen. Klimaschutz bedeutet Energiewende und die Scientists4Futur mahnen einen schnellen Klimaschiutz an und den Ausbau erneuerbarer Energien mit einem Beschleunigungsfaktor > 5. Das richtet sich eindeutig gegen die alten Kraftwerke und die fossile Wirtschaft, es richtet sich gegen Gas, Öl, Kohle und Atom und deshalb gibt es aus der Richtung jede Menge weitere taktische Überlegungen, wie man möglichst lang noch an diesen Ressourcen verdienen kann. Sonnen- und Windenergie kostet nichts. Was kostet sind Solaranlagen und Windräder. Die sind aber im Laufe der Zeit so billig geworden, dass sie weltweit, also auch in Deutschland alle anderen Herstellungsmethoden von Strom überholt haben, außer der Wasserkraft. Worüber müssen wir dann noch verhandeln? Mit dem Klima kann man bekanntlich nicht verhandeln.  

Klimaschutz heißt in Deutschland vor allem Energiewende, weil 80% aller Treibhausgase aus dem Bereich Energie kommen. In der Energiewende wird es Gewinner und Verlierer geben. Die Verlierer werden aber sehr wenige sein, obwohl vor allem konservative und neoliberale Think Tanks ununterbrochen versucht haben das Gegenteil zu behaupten und der Bevölkerung darzustellen, wie teuer die Energiewende für sie sei.

Die Klimawissenschaft sagt eindeutig was zu tun ist, zumal Erneuerbare Energie im Laufe der Zeit immer billiger geworden sind. Es kann also keinen Grund geben, vor allem auch für die Konzerne nicht, Erneuerbare jetzt nicht verstärkt auszubauen. Das sagen uns auch alle unabhängigen Wissenschaftler, die sich natürlich mit der Konstruktion der Energiewende beschäftigt haben und eine Studie nach der anderen vorlegen. 

Aber es gibt einen sehr wichtigen und weitgehend unbekannten Punkt und der wird leider nicht dementsprechend gewürdigt und bedacht. Was ist denn die Energiewende genau? Oberflächlich betrachtet ist es der Wechsel von einer alten Technik zu einer neuen. Aber in diesem Fall spielen viel mehr Dinge mit hinein und darüber hat Hermann Scheer immer wieder berichtet, denn technisch ist es ja nicht wirklich das Problem, wenn da nicht zwei Interessengruppen aufeinander prallen würden. Und immer noch ist es so, dass die eine nichts von ihrem Glück weiß und die andere sehr wohl weiß, dass man, um zu überleben, die erste Gruppe nichts von ihrem Glück wissen lassen darf.  

Dazu Hermann Scheer: 

Der Wechsel zu hundert Prozent erneuerbaren Energien bedeutet den umfassendsten wirtschaftlichen Strukturwandel seit dem Beginn des Industriezeitalters. Ein Strukturwandel ohne Verlierer und Gewinner ist undenkbar. Verlierer werden unweigerlich die Anbieter der konventionellen Energien sein – in welchem Ausmaß das der Fall ist, hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich an Haupt und Gliedern umzustrukturieren, sich mit drastisch sinkenden Marktanteilen abzufinden und neue Tätigkeitsfelder für sich zu finden, die KEINE ENERGIEWIRTSCHAFTLICHEN mehr sein werden.
Versuche der Verliererrolle in diesem Wandlungsprozess zu entkommen und ihre zentrale energiewirtschaftliche Rolle zu behalten, führen zu widersprüchlichen und teuren Verlangsamungsstrategien.
Die Gewinner des Wechsels werden die Weltzivilisation insgesamt und Gesellschaften und Volkswirtschaften sein, und in diesen die Technologieunternehmen sowie viele lokale und regionale Unternehmen. Es wird auf jeden Fall entschieden mehr Gewinner des Energiewechsels als Verlierer geben. Einem großen Teil der Gewinner sind die Chancen noch nicht bewusst, weshalb sie noch auf der Gegenseite stehen. Den größten Einfluss auf das praktische Geschehen haben derzeit noch die etablierten potenziellen Verlierer, den geringeren die noch längst nicht etablierten Gewinner.
Zitat Ende

Aber die Angriffe auf die Energiewende geschehen seit Jahren und sie geschehen heimlich. Einen wichtigen neuen Beitrag mit dem Titel „Das Ende der Bürgerenergiewende“ findet man hier und in diesem Artikel. Seit Jahren werden Mythen über die Energiewende verbreitet. Man kann deren Urheber inzwischen benennen – es sind konservative und neoliberale Kreise und wir haben hier die gleichen und ähnliche Vorgehensweisen wie sie weltweit im Fall der Klimaleugnung betrieben wurden und werden. Die Verkäufer des Zweifels haben versucht ganze Arbeit zu leisten, um die Öffentlichkeit über den anthropogenen Klimawandel zu belügen und Zweifel an der Klimawissenschaft zu streuen. 

Merchants of Doubt, (voller Titel: Merchants of Doubt: How a Handful of Scientists Obscured the Truth on Issues from Tobacco Smoke to Global Warming) ist ein 2010 in Englisch erschienenes Sachbuch der amerikanischen Wissenschaftshistoriker Naomi Oreskes und Erik M. Conway, das die organisierte Wissenschaftsleugnung zum Thema hat. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt, seit 2014 ist es auch auf Deutsch unter dem Titel Die Machiavellis der Wissenschaft: Das Netzwerk des Leugnens erhältlich.

Hier ein Vortrag von Naomi Oreskes

Naomi Oreskes: „Merchants of Doubt“

Und selbstverständlich ging es bei der Klimaleugnung einzig und alleine darum, den fossilen Energien eine möglichst lange Weiter-Existenz zu ermöglichen, denn wenn der Klimawandel nicht menschengemacht ist, braucht man am Thema Energie auch nichts zu ändern. Das Geldverdienen geht ungestört weiter, externe Kosten wie entstehende Umwelt- und Klimakosten zahlt die Gesellschaft – ein Lohnendes Geschäft.

Und nun haben wir den Kampf in Deutschland. Wir haben bereits fast 50 % erneuerbare Energien im Netz. Zwar bezieht sich das auf den Sektor Strom und die Sektoren Wärme und Mobilität kommen noch dazu, aber es wird nun eng für die alten Kraftwerksbetreiber. Und so bekommen die deutschen Think Tanks ordentlich Aufträge, um mit gut ausgeklügelten Aktionen nach neuesten PR-Methoden (#LeisePR), kühne Behauptungen und viele, viele Mythen in die Bevölkerung zu streuen. Sodass gesagt werden kann, Moment mal, mit der Energiewende kann das aber so nicht weitergehen, es gibt da Probleme.  

Das, was wir dann zu hören bekommen, sind aber meist die alten bekannten Mythen, wie sie hier übrigens erfolgreich widerlegt werden. Und leider halten sich Mythen immer sehr lange, denn im Fall der Energiewende sind sie ja auch ständig wiederholt worden und fast jeder in Deutschland wird diesen Satz ergänzen können, „wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht…“. Und die Meisten werden ihn so ergänzen: „dann geht das Licht aus“. Nur sehr wenige aber werden ihn folgendermaßen ergänzen: „gehen die Lichter noch lange nicht aus, denn die Energiewende ist ingenieurwissenschaftlich geplant und berechnet. Sie ist sicher, wir werden uns nicht einschränken müssen , und bezahlbar wird sie auch noch sein. Sie wird nicht mehr kosten, als das alte System, das wir gerade haben und langfristig wird sie sogar für jeden einzelnen günstiger werden. Eine sehr gute Erklärung dazu findet man auch hier in einem Webinar der Fridays for Future wo Prof. Claudia Kemfert mit diesen Mythen aufräumt.  

Eines der Argumente gegen einen schnellen Ausbau der Energiewende lautet auch, man könne Wind- und Solarenergie nicht weiter ausbauen, weil die Netze nicht ausreichen und Strom vom Norden nicht in den Süden gebracht werden kann. Und Stromtrassengegner würden das verhindern, ebenso wie Windenergiegegner den Ausbau von Windenergie verhindern. Weitgehend unbekannt ist aber, dass bayrische Trassengegner eine sehr berechtigte Kritik üben und sagen, die Trassen wären völlig überdimensioniert, weil sie nicht für den Transport von Windenergie, sondern auch für den Transport von Kohle- und Atomstrom ausgelegt sind. Und diese Trassengegner arbeiten keinesfalls mit Windkraftgegnern zusammen, im Gegenteil. Sie sind für die Energiewende und dafür dass Bayern natürlich auch Windenergie zubauen muss und sich nicht auf den Ausbau von Trassen verlassen darf. 

Und wenn hier von Think Thanks und #LeisePR die Rede ist, dann ist es eben auch klar, dass der Vorstoß in die Höhle des Löwen, hin zu den Fridays for Future eigentlich nur zu erwarten war. Tatsächlich ist es den Netzbetreibern, die ja meist die Tochterfirmen der großen Energiekonzerne sind, gelungen ihre Mythen in einem Webinar zu verbreiten. Der Vorfall fand am 02.04.2020 durch einen Vertreter des Netzbetreibers 50Herz, Prof. Niels Ehlers, statt, der selbstverständlich das alles nicht erzählte oder darüber aufklärte, sondern locker und flockig davon berichtete, dass eben die Trassen fehlten. Den jungen Leuten von Fridays for Future muss man nun nicht die Vorwürfe machen, denn sie gingen nach der Devise, fragt die Fachleute. Leider sind sie an die falschen Fachleute geraten.

Und das war das Ergebnis, das Webinar fand wie geplant statt. 

Leider gab es keine kritischen Zwischenfragen und die Moderatoren waren auch nicht auf das Thema richtig vorbereitet. 

Aber es kann nicht als Zufall gewertet werden, dass bereits für den 16.4. das zweite Webinar und nun wieder mit einem weiteren Netzbetreiber, Amperion, angekündigt wurde und da musste man dann eingreifen. Noch einmal das verfestigen von Mythen, und das bei jungen Leuten, die noch nicht mitbekommen haben, wie umkämpft die Energiewende eigentlich ist, kann und darf man nicht zulassen. Und nach längeren Bemühungen hat dann unsere Intervention gewirkt und das Webinar wurde ohne Ankündigung aus dem Programm genommen. Das macht klar, dass die jungen Leute wach sind und sich kein X für ein U vormachen lassen. Die Vorankündigung zu diesem zweiten Webinar existiert nicht mehr und man stößt nun auf diesen Link. 

Sonnige Grüße

Klaus Müller
Energiewende-Rocken

 

 

 

 

 

 

 

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