Flächenbedarf der Energiewende in Deutschland

Flächenbedarf der Energiewende in Deutschland - Foto unsplash

 

Viele Mythen werden um die Energiewende verbreitet.
Derzeit zum Beispiel kommt die neue Wasserstoffinitiative der Bundesregierung mit der Begründung, ein kleines Land wie Deutschland müsse Energie importieren (Wasserstoff und deren Derivate), weil wir unsere Energie nicht im eigenen Land herstellen könnten. Deshalb hier ein sehr gut recherchierter Gastartikel über den wir uns besonders freuen.

Gastartikel Thomas Rinneberg.

Flächenbedarf der Energiewende in Deutschland – Ein Vergleich

Ein häufig genanntes Problem der Energiewende ist ihr angeblich riesiger Flächenbedarf. Äcker würden mit Solarzellen zugepflastert, auf denen man besser Nahrungsmittel anbauen solle, Quadratkilometer Wald müssten gerodet werden, um Windkraftanlagen zu bauen. In diesem Artikel möchte ich diese Aussagen ins Verhältnis setzen zu anderen Flächen in Deutschland. Wir müssen dazu einige Berechnungen anstellen, und so möchte ich beginnen mit den grundlegenden Einheiten, die uns in diesem Artikel begleiten werden:

Watt, abgekürzt W, ist die Einheit für die Leistung, d.h. die Arbeit pro Zeitspanne, gleichzeitig die Leistung, die notwendig ist, um gegen den Widerstand von einem Ohm eine Spannung von einem Volt aufrecht zu erhalten, wodurch ein Strom von einem Ampere fließt: 1W = 1 V * A. [1]

Dezimale Vielfache sind kW (Kilowatt = Tausend Watt), MW (Megawatt = 1 Million Watt), GW (Gigawatt = 1 Milliarde Watt).

Wenn man eine Maschine mit einer Leistungsaufnahme von einem Kilowatt (eine typische Waschmaschine braucht 2 bis 3,5 kW) eine Stunde lang betreibt, hat man eine kWh also eine Kilowattstunde [2] an elektrischer Energie verbraucht (und muss für diese aktuell ca. 30 ct. bezahlen). Ein Megawatt entspricht ungefähr der Heizleistung von 50 elektrischen Durchlauferhitzern. Ein Gigawatt ist die Leistung eines typischen Kernkraftwerkes.

Flächenbedarf von Windkraftanlagen und Photovoltaik

Windkraft

Die ersten Windkraftanlagen leisteten 0,5 MW. Seither ist die Leistung kontinuierlich gestiegen, aktuell installierte Anlagen haben eine Leistung von 2,1 bis 2,9 MW. Stand der Technik sind 4 MW, und der Unterschied der Nabenhöhe beträgt zwischen den 2 MW und den 4 MW Anlagen nur ca. 20 Meter (bei einer Gesamt-Nabenhöhe von 140 Metern). [3]

Um die Anzahl von benötigten Anlagen also möglichst gering zu halten, ist es sinnvoll, vorhandene Anlagen durch leistungsstärkere zu ersetzen (Repowering). Prof. Dr. Volker Quaschning geht von einem Bedarf an installierter Onshore-Windleistung bis 2040 von 200 GW aus [4]. Sofern dies durchgängig durch 4 MW – Anlagen gedeckt wird, bedeutet dies einen Bedarf von 50.000 Anlagen. Das Fraunhofer-Institut geht von einem Bedarf an installierter Onshore-Windleistung bis 2050 im Szenario „Referenz“ von 263 GW aus [5]. Ebenfalls unter der Annahme des vollständigen Repowerings bedeutet dies einen Bedarf von 65.750 Anlagen. Aktuell installiert sind in Deutschland 29.456 Anlagen. [6]

Eine Windkraftanlage benötigt als Standfläche und Versorgungswege (Schotter) ungefähr 8000 Quadratmeter, d.h. 0,8 Hektar. [24]

Für die oben genannte Menge an Anlagen bedeutet dies einen Gesamtflächenbedarf von 526 Quadratkilometer. Das mag als enorm erscheinen, jedoch ist das im Vergleich extrem wenig: Die aktuell in Betrieb befindlichen Braunkohletagebaue verbrauchen 230 Quadratkilometer [9], alle KFZ (durchschnittliche Größe ca. 2m * 5m) in Deutschland auf einem riesigen Parkplatz abgestellt, würden eine Fläche von 648 Quadratkilometern einnehmen. [10], [11]

Die benötigte Fläche wäre also weniger als die in Betrieb befindlichen Braunkohletagebaue, und anders als diese würde die Fläche dauerhaft genutzt und nicht zerstört zurückgelassen, um anderswo weitere Flächen abzugraben.

Photovoltaik (PV)

Prof. Volker Quaschning und das Fraunhofer-Institut rechnen beide mit einem Bedarf an 415 GWp (Gigawatt-Peak, d.h. bei perfekter Einstrahlung erzielbarer) Leistung durch Solaranlagen in Deutschland. Hierbei werden lt. Fraunhofer ungefähr ein Drittel auf Freiflächen installiert, der Rest auf Ost-West-Dächern und auf Süd-Dächern. [12], [13]

Die Leistung von Photovoltaik-Anlagen pro Hektar variiert sehr stark je nach Anlagenform- und Bauart zwischen 0,5 MWp/ha und 1 MWp/ha. [14], [15], [16]

Dies führt zu einem Gesamtflächenbedarf von 4.150 km² bis 8.392 km². Wieder eine wahnsinnig große Zahl, aber wiederum zum Vergleich: Die Gesamtsiedlungsfläche in Deutschland (also die bebaute Fläche) sind 33.362 km². [17], [18]

Es müssten also knapp 17% der Dächer mit Solarzellen belegt werden, dazu noch knapp 2800 km2 an Freiflächenanlagen, das ist ca. 17% der Verkehrsfläche Deutschlands.

Flächenbedarf der CO2-Reduktion durch Bäume und Solaranlagen

Laut Umweltbundesamt reduziert eine Solaranlage pro Jahr und kWp installierter Leistung 0,627 Tonnen CO2 [19]. Nach der Studie des Fraunhofer Instituts [20] müssen bis 2050 in Deutschland 415 GWp installiert werden, dies wird dementsprechend 260.205.000 Tonnen CO2 einsparen. Wie oben berechnet, werden dafür maximal 8.392 km2 Fläche benötigt. Das sind 2,35% der Fläche Deutschlands.

Aktuell werden in Deutschland auf 18.000 km² reine Energiepflanzen angebaut, die zu Biodiesel, Biogas und Bioethanol verarbeitet werden [21]. Der Anbau ist allerdings oft ineffizient [22]. Ein Teil dieser Flächen könnte durch Freiflächenanlagen ersetzt werden, damit würde gleichzeitig die Artenvielfalt erhöht.

Achtzig ausgewachsene Buchen binden pro Jahr ca. eine Tonne CO2 [23]. Das bedeutet, eine Buche bindet 0,01250 Tonnen. Eine halbe Million Buchen brauchen eine Fläche von ca. 4.641 Hektar, d.h. 0,00928 Hektar pro Buche. Um die oben berechneten 260.205.000 Tonnen CO2 zu binden, würden demnach 20.816.400.000 Buchen benötigt, welche eine Fläche von 1.932.178 km² benötigen. Das ist das 5,4-fache der Fläche Deutschlands.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Watt_%28Einheit%29
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%B6%C3%9Fenordnung_(Leistung)#Kilowatt
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:EnerconSizes_de.svg
[4] https://www.volker-quaschning.de/publis/studien/sektorkopplung/index.php
[5] https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE-Studie-Wege-zu-einem-klimaneutralen-Energiesystem.pdf
[6] https://www.wind-energie.de/themen/zahlen-und-fakten/deutschland/
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Windkraftanlage#Fl%C3%A4chenbedarf
[8] https://energiewende.eu/erneuerbare-energie-und-der-flaechenverbrauch
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutscher_Braunkohletagebaue
[10] https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/bestand_node.html
[11] https://de.automobiledimension.com/
[12] https://www.volker-quaschning.de/publis/studien/sektorkopplung/index.php
[13] https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE-Studie-Wege-zu-einem-klimaneutralen-Energiesystem.pdf
[14] https://www.solaranlagen-portal.com/photovoltaik/leistung
[15] https://greenvest-solar.de/greenvest-750kWp.html
[16] https://www.solaranlagen-abc.de/solaranlagen-fuer-freiflaechen/
[17] https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/struktur-der-flaechennutzung
[18] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163401/umfrage/anteil-der-strassen-in-deutschland-an-der-gesamtflaeche/
[19] https://www.photovoltaik.eu/gewerbe-kommune/aktuelle-meldungen-neue-zahlen-sonnenstrom-reduziert-ausstoss-von-kohlendioxid
[20] https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE-Studie-Wege-zu-einem-klimaneutralen-Energiesystem.pdf
[21] https://www.agrarheute.com/energie/studie-energiepflanzen-18-prozent-ackerflaeche-474750
[22] https://www.welt.de/wirtschaft/energie/specials/gas/article8795984/Biomasse-das-sind-die-Nachteile-und-Vorteile.html
[23] https://www.photovoltaik.eu/gewerbe-kommune/aktuelle-meldungen-neue-zahlen-sonnenstrom-reduziert-ausstoss-von-kohlendioxid
[24] https://energiewende.eu/windkraft-abholzung/

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