Wenn beim Kampf um die Meinungshoheit zum Klimawandel alles und jeder diskreditiert wird und sogar Hetzschriften als Lehrmittel getarnt in Schulen verbreitet werden, dann sind keine harmlosen realitätsfernen Spinner mehr am Werken, sondern gefährliche und gut organisierte Denialisten.
Sie wollen dir erklären, die Erde sei flach, es habe nie eine Mondlandung gegeben, die Evolutionstheorie sei nur eine Theorie, oder der Klimawandel existiere gar nicht – bzw. wie sogar der US-Präsident mutmaßte, sei dieser ja nur eine Erfindung der Chinesen …
Aber Achtung, es sind nicht nur harmlose, etwas realitätsferne Spinner, die da allerlei wüsten Verschwörungskram erzählen. Und auch wenn man sie auf den ersten Blick nur mitleidig belächelt und niemand ihre kruden Ideen ernst nehmen kann – man sollte es dennoch tun. Denn manche sind perfide, gemein, gefährlich und auch noch gut vernetzt – womit sie viel bedrohlicher für uns alle sind, als man glauben mag. Jetzt machen sie sich sogar an unsere Kinder heran, um sie zu manipulieren.
Wenn man Spinner zu lange ignoriert … ist die Jugend desinformiert
Einer der bekanntesten Fälle von plumper aber dennoch erfolgreicher Wissenschaftsleugnung stellt zum Beispiel der Kreationismus dar: Darwins Evolutionstheorie sei Humbug, da laut Bibeltexten der Mensch und das Leben durch Gottes „Intelligentes Design“ in nur sechs Tagen und nicht in Jahrmillionen erschaffen wurde.
Wie gut ein sektenartig aufgebautes Lobbying-Netzwerk auch vorbei an jeder ernsthaften wissenschaftlichen Debatte funktioniert, zeigen u.a. Studien, wonach neun von zehn US-Amerikanern Zweifel an der Evolutionstheorie hegen, mehr als 40 Prozent würden eher den Standpunkt der Kreationisten teilen – und jetzt kommts: Besonders unter den Evangelikalen wollen mehr als 40 Prozent, dass in den Schulen Kreationismus statt Evolutionstheorie gelehrt werden soll.
Und genau das passierte auch: An US-amerikanischen Highschools würden sogar trotz mehrerer Gerichtsurteile nur 28 Prozent der Lehrer den Empfehlungen des Nationalen Forschungsrats folgen und ihren Schülern die Evolutionstheorie nur als eine von mehreren Theorien präsentieren – und 13 Prozent der Lehrer würden dabei ausdrücklich den Kreationismus befürworten. Was letztlich zwangsläufig zu einer neuen Generation führt, für die „Glauben“ wichtiger ist, als Wissen.
In deutschsprachigen Landen ist der Kreationismus zum Glück nur auf diverse Freikirchen und Teile der evangelikalen Bewegung beschränkt, dennoch versucht auch hierzulande eine ebenso gefährliche Wissenschaftsleugner-Bewegung mit den selben widerwärtigen Methoden bis in die Kopfe unserer Kinder vorzudringen.
Das Rezept der Demagogen ist einfach: Wer bei kritischen und gebildeten Erwachsenen nichts mehr ausrichten kann, nimmt sich die ungebildeten Schichten und – ganz gezielt – unsere Kinder und ihren Schulunterricht vor.
Denialismus: Massiver Angriff auf Bildung und Wissenschaft
Wir alle haben sie inzwischen schon hinreichend kennen gelernt – die „alternativen Fakten“ und „Fake News“, die uns tagtäglich multimedial um Augen und Ohren geschlagen werden. Mannigfaltige Desinformation schafft Unsicherheit darüber, was nun wahr ist oder nicht. Viele, auch gut Informierte, können inzwischen nicht mehr verlässlich zwischen gezielten Falschinformationen und realen seriösen Nachrichten unterscheiden.
Wo die Urheber Wissenschaftsleugner oder Denialisten sind, die sich selbst gerne als „Skeptiker“ bezeichnen, soll vor allem einmal das Vertrauen in bewährte Institutionen untergraben werden, die Wissen und Bildung schaffen und vermitteln und auf deren Urteil über Richtiges oder Falsches sich der Normalbürger einfach verlassen konnte, auch wenn er selbst nicht das nötige Fachwissen besitzt.
Gerade beim derzeitigen „Lieblings- und Hauptthema“ der Leugner, dem Klimawandel, werden zum Teil sogar mehr als einhundert Jahre empirischer Forschung angezweifelt, Klimaforscher mit wüstesten Verschwörungstheorien diskreditiert und krude „Gegenthesen“ aufgestellt, die zwar keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten, nichtsdestotrotz aber über eigene Kanäle weiterverbreitet und an alle adressiert werden, die empfänglich für solche Botschaften sind.
Zumindest aber soll Zweifel gesät werden, um völlig unwissenschaftlichen Meinungen von Pseudo-Experten, Buchautoren oder sonstigen fachfremden Laien in der öffentlichen Diskussion einen ähnlichen Stellenwert einzuräumen, wie der Expertise echter Forscher, Wissenschaftler und universitären Institutionen. Denn dann kann – ähnlich wie bei Darwins Evolutionstheorie – ja zumindest behauptet werden, es gäbe nur verschiedene Theorien, aber keine „Wahrheit“ oder soetwas wie einen wissenschaftlichen Konsens zum aktuellen Stand des Menschheitswissens.
Kampf um die Meinungshoheit in Social-Media
Weil kein einziges seriöses Fachmagazin mit Vorausbegutachtung durch andere Fachleute (peer reviewing) unseriöse Publikationen veröffentlicht und offenkundige Fakes heute in der Fachwelt nahezu sofort entlarvt werden, suchen sich die Klimawandelleugner „alternative Kanäle“ in Raubjournalen, „befreundeten“ Medien und auf Social Media Plattformen, wo in der Leserschaft bereits eine Meinungsblase existiert, die solche Machwerke begierig aufsaugen, da sie ja „jene Wahrheit verkünden, die vom Staat und dem System unterdrückt werden“ … und um die Inhalte seriös wirken zu lassen, wird dabei einfach untereinander verlinkt und gegenseitig referenziert.
Darüberhinaus sucht man sich weitere, möglichst gut frequentierte Foren, wo man diese Verschwörungstheorien in den Kommentarspalten unauffällig ins Allgemeinwissen einstreuen und weiterverbreiten kann. Und sollte sich dort mal jemand finden, der die Falschinformationen aufdeckt, steht auf Abruf meist ein Trollkommando bereit, um diese unliebsame Stimme zum Schweigen zu bringen.
Wie aggressiv und hochorganisiert hierbei vorgegangen wird, wer die Hintermänner und die Netzwerker sind und welche Methoden im Einzelnen angewendet werden, darüber gab es schon zahlreiche Publikationen, die man hier nicht zu wiederholen braucht, aus Platzgründen auch gar nicht kann. Doch selbst auf Wikipedia steht ausführlich recherchierte Lektüre über Klimaskeptiker oder Wissenschaftsleugner zur Verfügung.
Was allerdings noch kaum Eingang in Publikationen gefunden hat, sind die jüngsten Entwicklungen im Kampf um die Deutungs- und Meinungshoheit, die sich wie der Endkampf des letzten Bollwerks der „Denial Machine“ ausnimmt, welche noch alles auffährt, was nur irgendwie möglich scheint, bevor sie endgültig und unrühmlich in den Geschichtsbüchern verschwindet.
Mimikry: Verschwörungstheorien als Lehrmittel getarnt
Die jüngsten Entwicklungen rund um Greta Thunberg und die globalen Klimastreiks der Schüler haben in kurzer Zeit sehr viel bewegt und auch eine Menge neuer Online-Informationsangebote für Jugendliche geschaffen – dem aufmerksamen Mitleser bei #FridaysForFuture und #ParentsForFuture entgeht jedoch kaum, dass die Klimawandelleugner zum Großangriff auf diese Seiten und diese Zielgruppe geblasen haben.
Wie beschrieben, tummeln sich hier zahlreiche Kommentare mit Links zu fragwürdigen Quellen und üblen Verschwörungstheorien. Und bei der Masse an Posts fällt das den Verantwortlichen oftmals gar nicht auf.
Die Rechtspopulisten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die zumeist auch zur Speerspitze der Denialisten gehören, versuchen ihre Infiltration von schädlichem Gedankengut aber auch offline bishin zu Auftritten auf den Freitagsdemos – wie etwa mit dem missglückten „Schüler-Klimaquiz“ der AfD mit falschen Fakten über den Treibhauseffekt von CO2, der wohl noch jedem in Erinnerung sein dürfte.
Ein rechtskonservatives Schweizer Wochenmagazin setzte dem Ganzen kürzlich aber die Krone der Scheinheiligkeit auf. Das jüngste Sonderheft der „Weltwoche“ lockt mit einem Coverfoto von Greta Thunberg, trägt den Titel „Klimawandel für die Schule“ und wird im Untertitel als „Lehrmittel“ bezeichnet. Was sich also auf den ersten Blick als „ideal“ für Fridays-For-Future-Kids und den Unterricht über Klimawandelthemen präsentiert, ist aber leider lediglich mieses Mimikry.
Alternative Fakten – Zielgruppe Schüler
Denn darin werden Texte mehrerer Autoren veröffentlicht, die weniger für ihre Tipps zur Bekämpfung des Klimawandels als für rechtspopulistische und denialistische Hetzschriften bekannt sind. Schon im Einleitungstext ist u.a. eine „Argumentation“ zu lesen, die 1:1 jener der Kreationisten entspricht – und vermutlich sogar ein Fall für den Presserat:
„Unser Eindruck ist, dass die heutige politische Diskussion diese wissenschaftlichen Kontroversen weitgehend ausblendet. Die Klimadebatte ist eigentlich gar keine Debatte, sondern der Versuch der einen Seite, ihre Sicht rabiat durchzusetzen, unterstützt von den meisten Medien. Kritiker, Skeptiker und Andersdenkende sollen mit Kampfbegriffen (Klimaleugner) eingeschüchtert , stillgelegt werden. Das ist ungesund. Das ist gefährlich. Einseitige Diskussionen produzieren einseitige politische Entscheidungen. Dieses Heft ist ein Beitrag zur Öffnung und zur Versachlichung. Es wäre schön, wenn wir die festgefahrene, geradezu festgefrorene Klimadebatte entkrampfen könnten. Und ja, auch und gerade an den Schulen sollte die andere Sicht in dieser wichtigen Frage Eingang finden. Als Beitrag zur Meinungsbildung gegen Hysterie und Panikmacherei.“
Diese „andere Sicht“, also eine Andere als die Konsensmeinung der Wissenschaft, wird dann auch – nahezu einseitig – von den meisten Autoren im Heft vertreten. Darunter etwa der dänische Vorzeige-Klimaskeptiker, Hobby-Ökonom und Politikwissenschafter Björn Lomborg, der für seine Meinung bekannt ist, man solle weniger Geld in Umweltpolitik investieren, da die Klimawissenschaften alles viel zu schwarz malen würden. Dank zum Teil frei erfundener Daten, Plagiate und Falschinterpretationen ist seine Reputation in Wissenschaftskreisen eher zweifelhaft. Ebenso wie jene der Zoologin Dr. Susan Crockford, einer selbsternannten Eisbären-Expertin, die ausgerechnet in diesem Fachgebiet keinerlei Fachexpertise nachzuweisen hat.
Gar kein Wissenschaftler ist hingegen der britische Rechtspopulist und Breitbart-News Journalist James Delingpole, der für den „Spectator“ auch schon mal darüber sinnierte, welche Art der Todesstrafe für Klimaforscher wie Michael Mann oder James Hansen oder Umweltjournalisten wie George Monbiot wäre – elektrischer Stuhl, Hängen oder Krokodilen zum Fraß vorwerfen. Letztendlich rang er sich dann die Einsicht ab, dass nichts davon seinen Ansprüchen genügte, unter anderem weil er ihnen die Gnade eines schnellen Todes einfach nicht gönne. Warum er in dem übersetzten Text einen Klimaskeptiker und Kohleminenbesitzer interviewt und welchen Bildungswert dies, wie auch die Auswahl solcher Autoren für die Schüler haben solle, entzieht sich dem Leser allerdings.
Diffamierung statt Argumentation
Wie sich das selbe Schweizer Wochenmagazin eine konstruktive Debatte vorstellt, kann man an einem weiteren kürzlich erschienenen Artikel erahnen, der auf die Diffamierung von Wikipedia und einem seiner Autoren abzielt. Seinem Frust über missglückte Versuche zur Abänderung der sogar von namhaften Fachleuten zitierten Beiträge über Klima- und Wissenschaftsleugner machte sich ein Lokaljournalist Luft und erging sich einen ganzen Artikel lang in Anschuldigungen, dass auf Wikipedia ein Autor alleine dieses Thema, was ein Klimawandelleugner sei, kontrollieren würde und auch keinen Widerspruch dulde.
In einer ellenlangen Litanei ergießt sich der Schreiber in haltlosen Unterstellungen: Das müsse ein Grüner sein, ein Besessener noch dazu, und da er bis tief in die Nacht dort editiere, müsse er ganz sicher von irgendjemand dafür bezahlt werden, dass er Leute und Organisationen als Klimawandelleugner bezeichne. Und wie könne so jemand ganz alleine die Deutungshoheit für so wichtige Themen wie die Klima- und Wissenschaftsleugnung auf Wikipedia haben, so der beleidigende Tonfall. Sobald es auf Wikipedia um politisch-ideologisch-religiöse Themen gehe, wäre kein Verlass mehr auf die Neutralität der Enzyklopädie und es würden dort die Regeln des Dschungels herrschen.
Belastbares sucht man in der Polemik des Textes allerdings weitgehend vergeblich. Dass der Wikipedia-Autor mit rund 20.000 Bearbeitungen insgesamt bzw. durchschnittlich gerade einmal 6,6 Bearbeitungen pro Tag keinesfalls wie dargestellt ein daueraktiver Vollzeit-Online-Worker ist, oder dass die Artikelerstellung von einer ganzen Reihe von Co-Autoren unterstützt wurde, die auf der zugehörigen Diskussionsseite mit Rat und Tat zur Hilfe standen, zerstört den Mythos vom alleine agierenden Aktivisten wohl ebenso, wie die Tatsache, dass der von mehr als 200 Fußnoten gestützte Artikel von der Wikipedia-Gemeinschaft und rund 60 Mitwirkenden zu einem von nicht einmal 7.000 ausgezeichneten Artikeln gewählt wurde.
Zusätzlich wurde der Wikipedia-Autor mit seinem (angeblich) vollen Namen und Wohnort genannt, wohl um weitere Recherchen anstellen zu können, die eventuell noch Stoff für weitere Diffamierungen bieten könnten. Es passt ins Bild, dass viele Klimaartikel des Journalisten wie auch weitere Artikel der Wochenzeitung reihenweise von der Briefkasten-Pseudo-Organisation EIKE übernommen werden, dem Sammelbecken europäischer Klimawandelleugner. Dort erfährt man dann, dass die bei Fridays For Future demonstrierenden Schüler „von Linken aufgehetzte Kindersoldaten“ sind, die „im Kreuzzug gegen den drohenden klimatischen Weltuntergang“ eingesetzt werden.
Gesunder Menschenverstand – eine nur gefühlte Wahrheit
Zugleich ist auffällig, dass der Journalist außer seiner persönlichen Meinung keinerlei fachliche Qualifikation und somit auch einen ganzen Artikel lang kein einziges Gegen- oder Sachargument zum Thema einbringt. Wie er dann zu seiner Einschätzung kommt, dass der gesamte Wikipedia-Artikel über Klimaleugner „Nonsens“ sei und die Autoren der darin zitierten wissenschaftlichen Literatur falsch lägen? Auch hierzu äußert sich der Autor, diesmal auf Twitter: Er verweist auf den „gesunden Menschenverstand“.
Ein beinahe schon typisches Schema, mit dem Wissenschaftsleugner wissenschaftliche Forschungen ablehnen. Hier offenbart sich ein zutiefst rückständiges, kleingeistig-feindseliges „Weltbild“, das wohl niemand freiwillig teilen möchte – es sei denn die „befreundeten Medien“, welchen der Denialismus per sé wichtiger ist, als journalistische Leistungen oder Sorgfalt.
Und daher finden sich die Wiederveröffentlichungen des besagten Weltwoche Artikels auch nur bei einer Handvoll „typischer Verdächtiger“, für die der Klimawandel sowieso immer und nach wie vor ein völlig unbegreifliches Szenario darstellt – EIKE, Achse des Guten, Tichys Einblick, Pi-News, und dem von Fritz Vahrenholt betriebenen Blog „Kalte Sonne“.
Haltet solche Demagogen von unseren Kindern und aus unseren Schulen fern!
Gastautor – Robert Manoutschehri
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