Das deutsche EEG hat dazu geführt, dass zunächst mittelständische Firmen (ebenso deren Investoren) Planungssicherheit erhielten und erfolgreich in Produktionstechnik für Solarmodule investieren konnten. Dadurch konnte der Preis für Solarmodule 5 € je Wp im Jahr 2000 auf 0,2 € je Wp in 2020 gesenkt werden (siehe Bild 1). Damit kann jetzt selbst in Deutschland 1 kWh Solarstrom für 4 Cent je kWh erzeugt werden, in den letzten Ausschreibungen aus Portugal und Saudi-Arabien sank der Preis für Solarstrom in den Bereich von 1 Cent/kWh – damit wurde Photovoltaikstrom sogar zu billigsten Energiequelle der Geschichte.
Leider findet die Wertschöpfung in der Photovoltaik kaum mehr in Europa statt, so dass wir zu 99% von Importen (besonders aus China) abhängig sind. Durch die Beseitigung der unten geschilderten Markthemmnisse könnte wieder eine wettbewerbsfähige Solarindustrie in Deutschland entstehen.
Auch im Windenergiebereich konnten die Kosten stark (Faktor 5!) gesenkt werden (Bild 2), die lokale Industrie würde ebenfalls durch die Vorschläge profitieren.
Während früher noch Subventionen notwendig waren, um die Technologie am Markt zu etablieren, würde es zur Verbreitung heute ausreichen, hemmende Regularien zu entfernen: Strom-Doppelbesteuerung, Doppelabgaben für Speicherbetrieb, Abgaben für Eigenverbrauch, Peer-to-Peer und Vehicle-to-Grid-Handelsverbot; speziell bei der Windkraft noch Abstandsregeln und Ausschreibungsverfahren, welches Bürgergenossenschaften vom Markt fernhält. Zudem sollte sich die Gesetzgebung an den Eigenschaften (Dynamik, Verfügbarkeit) variabler erneuerbarer Energiequellen orientieren: z.B. Etablierung dynamischer Strompreise auch im Kleinverbraucherbereich. Außerdem werden erneuerbare Energien durch die Regeln der Strombörse systematisch benachteiligt, das Stichwort ist hier EEG-Paradoxon.
Für den Endverbraucher ist es inzwischen wesentlich billiger, Strom aus eigenen Solarmodulen zu nutzen als von Energiekonzernen. Dass der Strom nicht 24 h am Tag zur Verfügung steht, weiß er, er kann dies jedoch durch eigene Maßnahmen und Zusatzprodukte realisieren. Diese Maßnahmen (z.B. Demand-Side- Management Systeme) und Zusatzprodukte (z.B. elektrische und thermische Speicher) bieten ein hohes lokales wirtschaftliches Potential, insbesondere für innovative Start-ups.
Um derartige Innovationen und Investitionen zu ermöglichen, ohne dass Menschen mit geringerem Einkommen benachteiligt werden, sollte ein Sozialtarif im Strombereich eingeführt werden. D.h. ein Grundverbrauch (z.B. bis 1000 kWh/a pro Person) sollte günstig bereitgestellt werden, darüberhinausgehende Verbräuche unterliegen dem Marktgeschehen – diesen Sozialtarif gibt es seit längerem in mehreren Ländern.
Zur Zeit geschieht das Umgekehrte: Kleinverbraucher müssen stets eine Mindestgebühr bezahlen, Großverbraucher hingegen erhalten einen günstigeren Stromtarif und werden bei genügend Verbrauch sogar von Abgaben befreit, beispielsweise müssen Betriebe mit 1 GWh/a keine EEG-Umlage mehr begleichen.
Um die Akzeptanz der Bürger zu erhöhen, sollte ihnen eine aktivere Rolle im Klimaschutz ermöglicht werden: CO2-Label an Produkten und Dienstleistungen, der aktuelle CO2-Ausstoss im Stromnetz sollte transparent gemacht werden, um sich bei Bedarf darauf einzustellen: z.B. Elektrofahrzeuge bei viel Solar- und Windstrom laden. Neben der Transparenz (z.B. „CO2-Ampel“) wäre ein wirksames Anreizsystem dazu sehr hilfreich (CO2-Boni). Dadurch können auch Erzeugungsspitzen von Erneuerbaren abgefangen werden wie auch die Quantität von Reserveenergiebereitstellungen reduziert werden und somit das Energiesystem zu geringeren Kosten betrieben werden. Dies ist ein wichtiger Gesichtspunkt, weil inzwischen der Betrieb des Netzes mehr kostet als die eigentliche Stromerzeugung (siehe Bild 4).
Die Ausweitung einer nationalen Betrachtungsweise bzw. Systemgrenze zu einer internationalen, oder zumindest europäischen Kooperation erlaubt erhebliche Kostenreduktionen, wie aus Bild 3 unten ersichtlich ist, da der Vorsorge- bzw. Speicheraufwand für Dunkelflauten stark reduziert wird.
Durch die oben genannten Maßnahmen und Steuerreduktion kann der hohe Endverbrauchspreis (siehe Bild 4) für Kleinverbraucher in Deutschland entscheidend gesenkt werden, denn die tatsächlichen Erzeugungskosten und die Großhandelspreise liegen in Deutschland auf extrem niedrigem Niveau (siehe Bild 5).
Da bei den Haushaltsstrompreisen nur 24% Stromerzeugungskosten sind, bieten sich politische Maßnahmen zur Reduktion der verbleibenden 76% des Endpreises an.
Oftmals herrscht die Meinung vor, dass für eine nachhaltige Energiewende der jetzige Primärenergieverbrauch (12 300 PJ = 3 416 TWh) ersetzt werden müsse. Tatsächlich wird durch den Einsatz von elektrischen Wärmepumpen, Elektromobilität und dem Abschalten der thermischen Kraftwerke nur ein Bruchteil dessen benötigt. Verschiedene Studien (e.g. Fraunhofer ISE, RLI, Breyer et al.) kommen auf einen Gesamtenergieverbrauch von 1 200 – 1 900 TWh. Mit anderen Worten: Mit einer Verdreifachung des jetzigen Stromverbrauches wird der gesamte Endenergiebedarf abgedeckt, etwa ein Sechstel wird dabei bereits von erneuerbaren Energien bereitgestellt.
Zu günstig (meist kostenlos) abgegebene CO2-Zertifikate verhindern Investitionen zur CO2-Reduktion und verursachen massive Wettbewerbsnachteile für bereits klimafreundliche Industrien.
Wir fordern die Parteien Bündnis90/Die Grünen, FDP und SPD auf, die oben genannten Sachverhalte und Handlungsempfehlungen im Rahmen der Sondierungsgespräche ernsthaft zu berücksichtigen und in die Koalitionsverträge aufzunehmen.
Berlin, 07.10.2021
Prof. Dr.-Ing. Stefan Krauter, Prof. Dr.-Ing. Christian Breyer, Prof. Dr. habil. Eicke Weber
P.S. Tagesaktuelle Ergänzung: Wären die geschilderten Vorschläge (Richtung 100% Erneuerbare, attraktive Optionen für Speicher-, Peer-to-Peer & Vehicle-to-Grid Strombereitstellungen) berücksichtigt worden, wäre der augenblickliche extreme Strompreis nicht zustande gekommen.