Die heimlichen Gewinner des Osterpakets

Gründe für die Trennung in Prosumer und Volleinspeiser

Einspeisevergütung Cui bono?

In unserem Artikel zum Osterpaket und der neuen Einspeisevergütung haben wir analysiert, dass es für Besitzer von etwas größeren Dächern oft lukrativer ist, den Strom vollständig einzuspeisen, anstatt einen Teil selbst zu verbrauchen und nur den Rest einzuspeisen, weil die Vergütungssätze für Teileispeiser nur halb so groß wie für Volleinspeiser sind. Patrick Graichen, ehemaliger Direktor von Agora und heute Staatssekretär unter Robert Habeck im Bundeswirtschaftsministerium und Architekt dieser Regelung, begründet die Trennung sinngemäß so: Wer den Strom selbst verbraucht, zahlt weniger Netzgebühr, die Netze müssen aber auch in Stand gehalten werden. Deswegen gibt es für Prosumer weniger Einspeisevergütung.

Im Folgenden schauen wir uns dieses Argument genauer an und machen einen Lösungsvorschlag.

Die Geldflüsse

Wir betrachten eine Familie Bürger mit einem größeren Dach von 20 kWp, das 900 kWh/kWp erzeugen kann, also insgesamt 18.000 kWh/a. Familie Bürger hat einen moderaten Strombedarf von 5000 kWh/a. Der Strompreis beträgt 37 ct/kWh. Sie muss sich jetzt entscheiden, ob sie einen Teil seines Stroms selbst verbraucht, oder vollständig einspeist. Schauen wir uns zunächst die Variante „Volleinspeisung“ an:

VolleinspeisungGeldflüsse
Geldflüsse und Bilanzen für die vier Akteure (Staat, Bürger, Netzbetreiber, Energieversorger) bei Volleinspeisung. Grün = Einspeisevergütung, Orange = Stromkosten, Blau = Netzgebühr, Violett = Stromsteuer

Der Staat zahlt an Familie Bürger (in Zukunft steuerfinanziert) eine Einspeisevergütung von insgesamt 2259€ pro Jahr. Da diese ihren eigenen Bedarf vollständig einkauft, muss sie dafür 1851 € bezahlen. Insgesamt macht sie also einen Gewinn von 409 € pro Jahr. Schauen wir uns mal genauer an, wie sich die 1851€ zusammensetzen. 244€ bekommt der Staat direkt wieder in Form von Stromsteuern zurück (violett). 378 € erhält der Netzbetreiber (blau) und 1229 € der Energieversorger (orange; bei einem Versorger-Anteil von 24,57 ct/kWh).

Der blaue Teil ist der, mit dem Graichen argumentiert. Betrachten wir also nun den Fall, dass sich Familie Bürger für eine Teileinspeisung entscheidet.

Prosumer vs. Volleinspeiser

Sie hat keine Batterie, kann also 2799 kWh/a selbst verbrauchen, den Rest speist sie ein. Dann sieht unsere Grafik folgendermaßen aus:

Teileinspeisung Geldflüsse
Geldflüsse und Bilanzen für die Akteure bei Teileinspeisung. Grün = Einspeisevergütung, Orange = Stromkosten, Blau = Netzgebühr, Violett = Stromsteuer

Sie muss wie gewünscht sehr viel weniger für Strom zahlen, nur noch 814€. Allerding erhält sie auch für ihren Reststrom sehr viel weniger Einspeisevergütung, nämlich 1047 €. Insgesamt macht sie damit noch 233 € Gewinn im Jahr, also auch diese Variante lohnt sich für sie. Allerdings lohnt sie sich viel weniger als die Volleinspeisung – Familie Bürger wird sich also wahrscheinlich für die Volleinspeisung entscheiden.

Betrachten wir wieder die Aufteilung der Stromkosten, so stellen wir fest, dass Graichen recht hat: Der Netzbetreiber bekommt viel weniger Geld als bei der Variante „Volleinspeisung“. Allerdings bekommt auch der Energieversorger viel weniger Geld! Könnte es sein, dass dies der wahre Grund ist, warum die Bürger zur Volleinspeisung bewegt werden sollen? Immerhin spart der Staat durch die Teileinspeisung ebenfalls massiv Geld – davon könnte man doch dem Netzbetreiber etwas abgeben?

Netzgebühr für Einspeisung

Um diese Frage zu klären, überlegen wir uns mal, wer eigentlich die Netze nutzt. Nur der Verbraucher, der Strom bezieht? Oder vielleicht nicht auch der Einspeiser, der seinen Strom loswerden will? Ausgehend von diesem Gedanken machen wir folgenden schockierenden Vorschlag: Auch für die Einspeisung von Strom wird eine Netzgebühr von moderaten 1ct/kWh erhoben, und die Netzgebühr für den Verbraucher um denselben Betrag gesenkt. Gleichzeitig entfällt die Trennung in Voll- und Teileinspeiser. Für Familie Bürger bedeutet das, statt 12,55ct/kWh (bei 20kWp) bekommt sie nur noch 11,55ct/kWh. Den Fehlbetrag überweist der Staat an den Netzbetreiber. Zusätzlich muss auch der Energieversorger 1ct pro kWh bezahlen, die er an Familie Bürger verkauft. Wie sieht das ganze aus?

Einspeisegebühr Geldflüsse
Geldflüsse und Bilanzen für die Akteure bei geänderten Regeln: Prosumer erhalten dieselbe Einspeisevergütung wie Volleinspeiser, für Einspeisung fällt eine Netzgebühr von 1ct/kWh an. Grün = Einspeisevergütung, Orange = Stromkosten, Blau = Netzgebühr, Violett = Stromsteuer

Zunächst mal fällt ins Auge, dass die Einspeisevergütung auch zusammen mit der Netzgebühr für den Staat günstiger kommt als bei Volleinspeisung. Dies erklärt sich dadurch, dass Familie Bürger ja einen Teil seines Stroms selbst verbraucht, also weniger einspeist. Zweitens hat sie mit dieser Regelung am Jahresende mehr als doppelt so viel Geld in der Tasche wie bei Volleinspeisung! Und trotzdem hat der Netzbetreiber mit 318€ gegenüber 378€ fast genauso viel Geld. Man kann mit der Einspeisegebühr spielen, schon bei 1,2ct/kWh hat der Netzbetreiber sogar mehr. Also win-win-win. Aber wer ist der Verlierer dieser Regelung? Die Energieversorger. Deren Umsatz schrumpft von 1229€ auf 519€.

Und DAS ist der wahre Grund, warum Patrick Graichen die Trennung in Voll- und Teileinspeiser erfunden hat. Die großen Energieversorger werden geschützt. Mal wieder.

image_print
Über Thomas Rinneberg 23 Artikel
Diplom-Technomathematiker; Software-Architekt