Grüner wird’s nicht mehr – Doch bekommen wir damit auch eine Energiewende?

Foto von David Vig auf Unsplash Grüner wird’s nicht mehr – Doch bekommen wir damit auch eine Energiewende?

Liebe Leser und Leserinnen.

Hamburg hat gewählt, und es hat Klimaschutz und Umwelt gewählt. Die SPD und die Grünen haben gewonnen. Aber bekommen wir nun auch Klimaschutz und Energiewende in der Geschwindigkeit die notwendig ist? Es sollte sich hoffentlich herumgesprochen haben. Klimaschutz heißt Energiewende und Ausbau der Erneuerbaren mit einem Beschleunigungsfaktor von fünf, so der Wissenschaftler Prof. Dr. Volker Quaschning.  

„Grüner wird’s nicht mehr“, mit diesem Wahlslogan hat die SPD die Wahlen am Sonntag gewonnen – beachtlich ist das Ergebnis, 39 Prozent. Das hat endlich wieder etwas von Volkspartei. Und sie hat sich dabei von der Mutterpartei stark abgegrenzt und das Thema aufgenommen, dass uns sicher die nächsten 10 Jahre begleiten wird, wenn nicht sogar das ganze neue Jahrhundert, Klimawandel und Klimaschutz. Vorreiter sind die Grünen. Aber stimmt das wirklich?

Ich meine, dass die Grünen bei dem Thema Klimaschutz Vorreiter gewesen wären? Wenn wir mal ganz von regionalen Themen in Hamburg absehen wollen, bleibt festzuhalten, die Hamburger sehen die wesentlichen Themen in dieser Reihenfolge: Umwelt/Klima 21 %, Verkehr/Infrastruktur 16 %, Bildung 16 %, soziale Sicherheit 16 %, Wohnen/Mieten 16 %, Zuwanderung 5 %. Die SPD hat also aufs richtige Pferd gesetzt und die Grünen sowieso. Aber wir haben die Frage noch nicht geklärt, wer hat denn nun die bessere Historie in Sachen Klimaschutz und Energiewende? 

Meine Antwort ist eindeutig – die SPD. Aber sie weiß das nicht. In diesem Jahr wird sich der Todestag eines Mannes zum 10. Mal jähren, den die SPD längst vergessen hat und dessen Themen sicherlich nicht zum Wahlkampf der SPD oder der Grünen gehörte – Herrmann Scheer, der Sozialpolitiker, kühle Analyst und Vater der Energiewende. Auch wenn die Grünen gleichfalls einen großen Anteil bei der Energiewende hatten, ist keiner so weit gegangen wie Hermann Scheer. 

Als ich Hermann Scheer das erste Mal im Fernsehe sah, dachte ich, wie kommt es, dass dieser Mann so absolut kein Blatt vor den Mund nimmt und gegen die Stromkonzerne wettert und sich in keiner Weise zurückhält, obwohl in der Talkshow Vertreter der Konzerne anwesend waren. Und weshalb machen die nicht mal den Versuch seine Angriffe abzuwehren? Der mir einzig mögliche Schluss war der – Hermann Scheer muss ein paar Asse im Ärmel haben, die möglicherweise, wenn er sie zieht, sehr unangenehm für die Konzerne sein könnten, oder er blufft mächtig und die Konzernvertreter fallen drauf herein. Damals hatte ich von Energiewirtschaft nicht viel Ahnung. 

Erst viel später merkte ich, Hermann spielte völlig mit offenen Karten. Er hatte keine Asse im Ärmel, er brauchte sie nicht. Im Gegenteil er spielte immer ein Handspiel und das als „Ouvert“, wie im Skat, er spielte tatsächlich mit aufgedeckten Karten. Aber er hatte seine Hausaufgaben gemacht und nichts zu verbergen – das wussten die Konzerne. Skatspieler werden wissen was gemeint ist, wenn ich sage, ich konnte sein Blatt damals noch nicht ganz lesen. Heute weiß ich es, ich habe sein Buch, „Der Energethische Imperativ“ gelesen. Aber ich weiß leider auch, dass es bei den Grünen und bei der SPD viele nicht kennen. Aber beide Parteien wollen Energiewende machen. Das macht mir wenig Hoffnung, denn es gibt sehr wenige, die Hermann Scheers Analyse nachvollzogen haben und verstehen wie Energiewende geht und wie nicht. 

Eine der mächtigsten Prämissen aus seinem Werk ist diese Feststellung: 

Hermann Scheer – Der Energethische Imperativ

Der Wechsel zu hundert Prozent erneuerbaren Energien bedeutet den umfassendsten wirtschaftlichen Strukturwandel seit dem Beginn des Industriezeitalters. Ein Strukturwandel ohne Verlierer und Gewinner ist undenkbar. Verlierer werden unweigerlich die Anbieter der konventionellen Energien sein – in welchem Ausmaß das der Fall ist, hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich an Haupt und Gliedern umzustrukturieren, sich mit drastisch sinkenden Marktanteilen abzufinden und neue Tätigkeitsfelder für sich zu finden, die KEINE ENERGIEWIRTSCHAFTLICHEN mehr sein werden.

VERSUCHE DER VERLIERERROLLE IN DIESEM WANDLUNGSPROZESS ZU ENTKOMMEN UND IHRE ZENTRALE ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE ROLLE ZU BEHALTEN, FÜHREN ZU WIDERSPRÜCHLICHEN UND TEUREN VERLANGSAMUNGSSTRATEGIEN.

Die Gewinner des Wechsels werden die Weltzivilisation insgesamt und Gesellschaften und Volkswirtschaften sein, und in diesen die Technologieunternehmen sowie viele lokale und regionale Unternehmen. Es wird auf jeden Fall entschieden mehr Gewinner des Energiewechsels als Verlierer geben. Einem großen Teil der Gewinner sind die Chancen noch nicht bewusst, weshalb sie noch auf der Gegenseite stehen. Den größten Einfluss auf das praktische Geschehen haben derzeit noch die etablierten potentiellen Verlierer, den geringeren die noch längst nicht etablierten Gewinner. Zitat Ende. 

Diese Verlangsamungsstrategien mussten wir die letzten 10 Jahre erleben und hinnehmen. Medien haben das nie berichtet. Weder was uns die Übernahme des Atommülls kostet, die Bürger besitzen ihn jetzt, noch was es kostet, 120.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche aufzubauen um danach 80.000 gleich wieder zu vernichten. Auch die Windenergiebranche erlebt das gerade mit 60.000 Arbeitsplätzen, die sang- und klanglos verschwinden. Ganz abgesehen davon von Milliardenzahlungen die für Reservekraftwerke gezahlt wurden und weiteren Erpressungen der Konzerne. Falschinformationen, Irreführungen alles inklusive. Die Medien haben das nie in Zusammenhängen berichtet. Das EEG-Paradoxon ist nur ein erschreckendes Beispiel. 

Liebe SPD und liebe Grüne, wenn Ihr wirklich etwas erreichen wollt, nehmt Hermann Scheer endlich wahr und setzt um was er erkannt hat. Alle Versuche dieser „Verliererrolle“ zu entgehen, sind nicht nur teuer, was das Thema Energiekosten betrifft, sondern sie verhindern den effektiven Klimaschutz, den wir doch so dringend brauchen.  

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Über Klaus Müller 83 Artikel
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