Eines der bekanntesten Narrative gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien geht so:
„Sonne und Wind produzieren nur höchst unregelmäßig. Wir sind aber auf eine verlässliche Stromversorgung angewiesen. So lange wir keine Speicher haben, brauchen wir daher die Erneuerbaren Energien gar nicht auszubauen – wir müssen sowieso die gesamte Kapazität doppelt vorhalten, nämlich zusätzlich nochmals als fossile Kraftwerke, sparen also gar kein CO2 ein! Vor allem im Winter gibt es längere Phasen ganz ohne Sonne und Wind.„
Dass wir Speicher brauchen, um die Differenzen zwischen Erzeugung und Verbrauch auszugleichen, ist natürlich völlig richtig. Dass wir aber dauerhaft fossile Backup-Kraftwerke brauchen, ist nicht korrekt – aber wo stehen wir in der Speicherfrage aktuell bei den einzelnen Technologien?
Bedarf
Vorbemerkung: Bei den folgenden Betrachtungen müssen immer Leistung (in Gigawatt [GW]) und Kapazität (in Gigawattstunden [GWh]) untersucht werden – diese beiden Größen hängen zusammen, sind aber durchaus nicht identisch.
Wenn die Energiewende komplett vollzogen ist – d.h. sämtliche Gebäude mit Wärmepumpen beheizt werden und sämtliche Auto elektrisch fahren, wird sich unser aktueller Stromverbrauch um ca. zwei Fünftel erhöht haben, von aktuell zwischen 30 und 70 GW auf dann zwischen 60 und 100 GW. In diesem Artikel habe ich ausgerechnet, wie sich die nächtlichen Lücken im Sommer und längere Dunkelflauten im Winter mit Batteriespeichern und grünem Methan überbrücken lassen – ebenfalls unter der Voraussetzung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien abgeschlossen ist. In vorliegenden Artikel wollen wir aber nur die aktuelle Situation und den Zeitraum bis 2030 betrachten; daher gehen wir statt von der dort berechneten nächtlichen Lücke von 600 GWh nur von 360 GWh nächtlichem Speicherbedarf in 2030 aus. Auch der Bedarf zur Überbrückung einer Dunkelflaute sinkt dann von ca. 25.000 GWh auf zunächst nur 15.000 GWh.
Pumpspeicher und Biomasse
Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland haben eine Gesamtkapazität von 40 GWh und eine Leistung von 10 GW. Sie sind lange etabliert, weitere Ausbauten sind hier aber nicht zu erwarten.
Auch Biomassekraftwerke haben eine Gesamtleistung von 9 GW. Während sie aktuell konstant durchlaufen, wäre eine flexible Verstromung bei hohem Bedarf sehr viel sinnvoller, da sich der Brennstoff sehr gut aufbewahren lässt. Wenn man die konstante Produktion von 4,3 GW heranzieht, werden pro Tag 103 GWh erzeugt. Bei entsprechendem Ausbau von Lagerkapazitäten und installierter Leistung könnte pro Jahr mehr als genug Brennstoff gesammelt werden, um auch längere Dunkelflauten zu überbrücken.
Stationäre Batterien
Die folgende Seite gibt Auskunft über die Leistung und Kapazität der aktuell installierten Heim-, Gewerbe- und Groß-Batteriespeicher. Insgesamt sind 10,6 GW Speicherleistung installiert, Heimspeicher haben mit 8,6 GW daran den größten Anteil. Verglichen mit der nötigen Leistung von 30 – 70 GW ist dies schon ein ordentlicher Anteil an der benötigten Leistung.
Die installierte Speicherkapazität beträgt 16,4 GWh, auch hier haben die Heimspeicher mit 13,9 GWh den größten Anteil. Verglichen mit dem nächtlichen Verbrauch von 360 GWh ist dies allerdings verschwindend wenig. Haben die Kritiker also recht, und woran liegt das? Es gibt dafür zwei Gründe:
Kosten
- Batterien waren teuer, weswegen sich Heimspeicher nicht wirklich lohnten: Bei Kosten von 1000 Euro pro kWh Speicherkapazität und einer Lebensdauer von 4000 Vollzyklen kostet die Kilowattstunde Speicherstrom 25ct. Verglichen mit Strom-Bezugskosten um 35ct (abzüglich der Einspeisevergütung von 7ct/kWh) bleiben 3ct/kWh Gewinn.
- Netzdienliche Großspeicher konkurrieren dagegen nicht mit Bezugskosten, sondern mit Börsenpreisen. Das Geschäftsmodell hier ist, Strom bei Überproduktion günstig einzukaufen und bei Mangel teurer wieder zu verkaufen. Dadurch ergeben sich durchschnittliche Gewinnspannen von ca. 15ct/kWh. Bei Speicherkosten von 25ct/kWh war dies ein Verlustgeschäft.
Gesetzliche Regelungen
- Sofern ein Speicher auch Strom aus dem Netz bezieht (sog. Graustrom) und nicht nur unmittelbar erzeugten Grünstrom zwischenspeichert, fallen für diesen Strombezug prinzipiell Netzentgelte in Höhe von ca. 8 ct/kWh an. Zwar sind neu errichtete Speicher für 20 Jahre hiervon befreit, allerdings gilt diese Befreiung nach aktueller Gesetzeslage nur für Anlagen, die vor dem 4. August 2029 in Betrieb genommen werden. Diese Regelung müsste daher für Stromspeicher generell aufgehoben werden.
- Sofern eine Anlage auch Graustrom ins Netz einspeist, hat sie kein Anrecht mehr auf Vergütung nach dem EEG. Dies bedeutet, dass insbesondere Heimspeicher nicht für eine netzdienliche Lastverschiebung genutzt werden – sobald der Speicher mit Netzstrom geladen wird, verliert der Anlagenbesitzer auch die EEG-Vergütung für den erzeugen Grünstrom.
- Sofern ein Anlagenbetreiber EEG-Vergütung erhält, entfällt der Anreiz, den erzeugten Grünstrom zu Zeiten hohen Bedarfs (und entsprechend hohen Börsenstrompreisen) einzuspeisen obwohl die Batterie noch nicht voll ist und nur zu Zeiten hoher Erzeugung (und entsprechend niedriger Börsenstrompreise) zu speichern. Der Anlagenbetreiber erhält ja dieselbe Vergütung unabhängig vom Zeitpunkt der Einspeisung. Hier könnten variable Einspeisetarife helfen, bei denen die Vergütung je nach Börsenstrompreis höher oder niedriger ausfällt und dadurch Anreize schafft, das Einspeiseverhalten netzdienlich zu gestalten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sogar kleine Anlagen zu Zeiten großer Erzeugung abgeschaltet werden müssen.
- Sofern man auf die EEG-Vergütung verzichtet und den Strom direkt vermarktet, wird aber ein sogenannter Smart-Meter-Gateway benötigt, d.h. ein Fernauslesesystem, mit dem der Netzbetreiber die aktuelle Höhe der Einspeisung übermittelt bekommt. Technisch gibt es solche Systeme bereits, aber ein endloses Hin- und Her zwischen dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt hat die Einführung eines sicheren Fernauslesesystems bisher verhindert.
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Autobatterien
Ende Oktober ging eine Studie des Fraunhofer ISE & Fraunhofer ISI durch die Medien, die auf europäischer Ebene untersuchte, wie viel Elektroautos durch bidirektionales Laden zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen könnten und kam zum Ergebnis, dass 2030 in Deutschland 2-4% der Kapazität und 15-20% der Leistung abgedeckt werden könnten.
Für die Nutzung im eigenen Haus (Vehicle to Home, V2H) sind derartige Systeme vereinzelt bereits verfügbar, einer breiten, netzdienlichen Anwendung (Vehicle to Grid, V2G) stehen aber hier dieselben rechtlichen Hürden entgegen wie bei stationären Speichern.
Wasserstoff und Methan
Die aktuelle Elektrolyse-Leistung beträgt gerade mal 0,1537 GW. Geht man davon aus, dass ein Elektrolyseur sechs Monate im Jahr für acht Stunden täglich solaren Überschuss-Strom nutzen kann, lassen sich damit 216 GWh Wasserstoff herstellen. Durch Methanisierung und Rückverstromung lassen sich daraus wieder 150 GWh Strom erzeugen.
Die Pläne allerdings sind ehrgeizig: Bis 2030 sollen 13,4 GW an Elektrolyseleistung zur Verfügung stehen. Dies würde unter gleichen Annahmen (6 Monate * 8h) eine jährliche Kapazität von über 19.300 GWh Wasserstoff, nach Rückverstromung also ca. 13.500 GWh Strom bedeuten. Hiermit ließe sich auch eine Dunkelflaute überbrücken.
Die installierte Leistung von Gaskraftwerken beträgt aktuell ca. 36 GW und die Bundesregierung plant die Errichtung von weiteren 10 GW. Also auch hier wäre genug Leistung vorhanden. Daher setzt die Politik voll auf grünen Wasserstoff und Methan als einer der Hauptpfeiler der Energiewende. Aber ist das auch wirtschaftlich?
Kostenentwicklung
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass der Abschnitt zu den Kosten von Batteriespeichern in der Vergangenheitsform formuliert sind. Tatsächlich sind die Kosten für Batteriespeicher seit 1990 kontinuierlich gefallen – kostete damals die Kilowattstunde Speicherkapazität noch 7.523$, so waren es 2018 nur noch 181$. Meldungen vom April 2024 berichten von Preisen von nur noch 75$/kWh.
Nun sind dies allerdings die Preise für die reinen Zellen. Eine einsatzfähige Batterie inklusive Elektronik kostet aktuell ca. 400 €/kWh. Aber auch diese Preise bedeuten nur noch Speicherkosten von ca. 10ct/kWh. Für Großprojekte wird sogar meist mit ca. 5ct/kWh gerechnet. Somit sind Batteriespeicher sowohl als Heim- als auch als Großspeicher lukrativ geworden und ein weiterer exponentieller Anstieg in installierter Kapazität und Leistung höchst wahrscheinlich. Die Kombination aus Photovoltaik uns Speichern hat kostenmäßig die Kohleverstromung mittlerweile eingeholt. Bis Ende 2025 sind in Deutschland konkret 3 GWh zusätzliche Großspeicher geplant:
Nun ist das angesichts des Bedarfs immer noch sehr wenig, aber passt man eine exponentielle Kurve auf die Kapazität von Heimspeichern und schreibt sie bis 2030 fort, so ergibt sich eine Gesamtkapazität von 595 GWh – wodurch die nächtliche Lücke mehr als gedeckt wäre.
Batterien als Langzeitspeicher?
Aktuell werden Batteriespeicher ausschließlich als Kurzzeitspeicher genutzt und geplant. Es gibt hierfür zwei Gründe: Der eine ist die Selbstentladung von Akkumulatoren, die für Lithium-Ionen-Akkus bei ca. 4% pro Monat liegt. Für Batterien, die einen Wirkungsgrad von über 90% haben, ist dies eine nicht hinnehmbarer Verlust. Setzt man es aber ins Verhältnis in die Verluste bei der Herstellung und Rückverstromung von Wasserstoff bzw. Methan von ca.60%, so ergeben sich interessante Implikationen.
Wie gerade erläutert, kostet die kWh Batteriestrom ca. 10 Cent. Bei einer Speicherdauer von 6 Monaten und einem daraus resultierenden Verlust von 24% würde eine Kilowattstunde Strom, die ein halbes Jahr gespeichert wurde 12,4 Cent kosten. Auf der anderen Seite kostet eine Kilowattstunde Wasserstoff oder Methan aktuell 20-30ct/kWh, wobei ein Rückgang auf 10ct/kWh bis 2050 erwartet wird. Inklusive Rückverstromung mit weiteren Verlusten von 20% wären das aktuell 24-36ct/kWh und erst 2050 dann 12 ct/kWh.
Der andere Grund ist aber die Tatsache, dass Akkus auch ohne Nutzung altern und somit die Anzahl von Lade- und Entladevorgängen (mit denen sich Geld verdienen lässt) begrenzt sind. Ein einziger Ladezyklus pro Jahr ist daher viel zu teuer. Die Batteriezellenentwicklung geht aber weiter, und Batterietypen wie die Redox-Flow-Batterie haben schon heute eine höhere Lebensdauer als die aktuell vorherrschenden Lithium-Ionen-Akkus.
Sofern also die oben genannten Hürden bei der netzdienlichen Nutzung von Speichern abgebaut werden, ist absehbar, dass wir einen massiven Zubau von Batteriespeichern erleben werden, der Wasserstoff nicht nur für den Verkehrssektor, sondern unter Umständen sogar als Langzeitspeicher Konkurrenz machen wird. Es dürfte teuer werden, diese Entwicklung zu ignorieren.
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