Dieser Artikel ist Teil einer Serie über alle Behauptungen zur Windenergie.
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Behauptung
Fledermäuse sterben bereits in der Nähe der Anlagen durch den Druckunterschied. Sie meiden das Gebiet um Windräder, dadurch wird ihr Verbreitungsgebiet vermindert.
Diskussion
Gefahren
Seit 1996 ist bekannt, dass von den 25 deutschen Fledermausarten insbesondere die Arten Großer Abendsegler, Kleiner Abendsegler, Zwerg‐, Mücken‐, Rauhaut‐, Breitflügel‐ und Zweifarbfledermaus häufig an Windenergieanlagen verunglücken. Diese Arten ziehen entweder durch den Bereich von Windparks oder sie jagen dort. Durch die drehenden Rotorflügel entsteht ein Druckunterschied, an dem die Tiere verenden, auch wenn sie nicht direkt vom Flügel erschlagen werden (Barotrauma). 2012 wurde geschätzt, dass an jeder der damals 22.000 Windenergieanlagen im Schnitt 10 Fledermäuse pro Jahr sterben. Die Todesfälle sind allerdings sehr ungleichmäßig verteilt, mit bis zu 50 an einzelnen Standorten im Wald. Da sich Fledermäuse nur sehr langsam fortpflanzen (ein bis zwei Junge pro Jahr) können solche Todesfälle lokal bestandsgefährdend sein. (1)
Dies stellt insbesondere vor dem Hintergrund ein Problem dar, dass Fledermäuse in Deutschland und Europa durch eine Vielzahl anderer Ursachen massiv bedroht sind. Hauptursache für den Rückgang von Fledermäusen sind nicht Windräder, sondern (2) (3):
- Biotopverlust: Fledermäuse benötigen reich strukturierte Landschaften mit vielen Insekten. Diese werden durch die moderne „aufgeräumte“ Agrarlandschaft immer weniger
- Insektizide: Fledermäuse fressen täglich bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts an Insekten. Eine einzige Zwergfledermaus kann pro Nacht 1000 bis 2000 Mücken vertilgen. Durch den Einsatz von Insektenvernichtungmitteln ist die Anzahl der Insekten um 80% zurückgegangen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Fledermäuse
- Pestizide: Wenn sie durch Pestizide vergiftete Insekten fressen, werden die Fledermäuse schleichend vergiftet.
- Quartierverlust: Durch Ausbau und Dämmung von Dachböden, Renovierung von Kirchen und Schlössern, Sprengung und Verschluss von Höhlen, Stollen und Bunkern und Fällen von alten Bäumen im Winter verlieren die Fledermäuse ihre Quartiere in denen sie überwintern und ihre Jungen zur Welt bringen
- Störungen: Wenn Fledermäuse im Winter aufwachen, verbrauchen sie wertvolle Fettreserven und können an Erschöpfung sterben
- Straßenverkehr: An Straßen und Bahnstrecken können die Tiere entweder mit den Fahrzeugen kollidieren, oder sie nehmen große Umwege in Kauf, um in Lebensräume jenseits der Trassen zu gelangen
- Glatte Fassaden: Ähnlich wie Vögel Glasscheiben nicht wahrnehmen und dagegen fliegen, so wird auch das Ultraschallsignal der Fledermäuse an glatten Fassaden so gestreut, dass sie es erst kurz vor der Fläche hören können, wenn es für ein Ausweichen oft zu spät ist
- Künstliches Licht: Insbesondere nachts jagende Arten sind von künstlichen Lichtquellen betroffen. Lichtscheue Arten werden vertrieben, lichttolerante Arten werden von den Insekten angelockt, welche wiederum von den künstlichen Lichtquellen angelockt werden. (4)
Maßnahmen
Von 2011 bis 2018 wurden drei aufwändige Untersuchungen durchgeführt, mit dem Ziel die Anzahl der Schlagopfer von Fledermäusen an Windenergieanlagen drastisch zu reduzieren. Hintergrund dieser Untersuchungen war die Feststellung, dass man die Aktivität von Fledermäusen anhand ihrer Ultraschall-Laute feststellen kann, denn für diese Töne gibt es Messgeräte (Abbildung 1).
Außerdem fliegen Fledermäuse nicht die ganze Zeit in gleicher Weise, sondern es gibt Aktivitätsspitzen während der Nacht (Abbildung 2), und außerdem spielt die Windstärke eine entscheidende Rolle: Je stärker der Wind weht, desto weniger Fledermäuse sind unterwegs (da dann auch weniger Insekten unterwegs sind). Da an stillstehenden Windrädern keine Fledermäuse sterben, war das Ziel, Algorithmen zu entwickeln, bei welcher gemessenen Ultraschallaktivität, welcher Windstärke und welcher Zeit (im Jahr und in der Nacht) wie viele Schlagopfer zu erwarten sind, um dann die Anlagen zeitweise abzuschalten. (5)
Parallel zur akustischen Messung wurden auch optische und Wärmebild-Erfassungen durchgeführt, um die Genauigkeit der akustischen Messungen zu verifizieren und zu verbessern. (6) Mittlerweile ist der Einbau dieser Systeme Standard, denn es stellte sich heraus, dass die zeitweilige Abschaltung der Windenergieanlage tatsächlich die meisten Schlagopfer verhindert (für die untersuchten Anlagen auf weniger als ein Sechstel, nämlich 1 Tier pro Anlage in 100 Nächten) (7), aber im Schnitt nur 2% Verlust beim Stromertrag bedeutet. (8) Die Abschaltung wird inzwischen sogar bei der Standortprognose mit berücksichtigt. (9)
Fazit
Fledermäuse sind in Deutschland vor allem durch den Mangel an Insekten massiv bedroht. Für Windenergieanlagen gibt es Systeme, die mittels Ultraschallmessung Fledermäuse erkennen, und dann die Anlagen abschalten. Diese Systeme werden in Deutschland auch bereits standardmäßig eingesetzt.
Quellen
- BAG Fledermausschutz im NABU. Ergebnisse des Expertenworkshops „Windkraft und Fledermäuse“. Frankfurt : Naturschutzbund Deutschland, 16.2.2012. https://www.fledermausschutz-rlp.de/expertenpapier.pdf.
- Giese, Christian. Fledermausschutz: Gefährdung. Rehde : Landesfachausschuss Fledermausschutz NRW (NABU), 2020. https://www.fledermausschutz.de/gefaehrdung/.
- BUND. Fledermäuse, Windenergie & Windräder: Ursachen für das stille Sterben der Fledermäuse. [Online] : Bund für Umwelt und Naturschutz, Regionalverband südlicher Oberrhein, 12.09.2017. https://www.bund-rvso.de/fledermauese-windenergie-windraeder-ursachen.html.
- C.C. Voigt, C. Azam, J. Dekker et alii. Leitfaden für die Berücksichtigung von Fledermäusen bei Beleuchtungsprojekten . Bonn : UNEP/EUROBATS, 2019. https://www.eurobats.org/sites/default/files/documents/publications/publication_series/EUROBATS_PS08_DE_RL_web_neu.pdf.
- Robert Brinkmann, Oliver Behr, Ivo Niermann, Michael Reich (Hrsg). Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen . Hannover : Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover, 1.2011. https://www.researchgate.net/profile/Oliver_Behr/publication/285767454_Fledermausfreundliche_Betriebsalgorithmen_fur_Windenergieanlagen/links/566aa9f208ae62b05f0332c7/Fledermausfreundliche-Betriebsalgorithmen-fuer-Windenergieanlagen.pdf.
- Oliver Behr, Robert Brinkmann, Fränzi Korner-Nievergelt, Martina Nagy, Ivo Niermann, Michael Reich & Ralph Simon (Hrsg.). Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen (RENEBAT II). Hannover : Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover, 2015. https://www.repo.uni-hannover.de/bitstream/handle/123456789/285/UuRBd7_gesamt.pdf.
- Behr, O., Brinkmann, R., Hochradel, K., Mages, J., Korner-Nievergelt, F., Reinhard, H., Simon, R., Stiller, F. Bestimmung des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen in der Planungspraxis (RENEBAT III). Erlangen / Freiburg / Ettiswil : Universität Erlangen-Nürnberg, 6.2018. https://windbat.techfak.fau.de/Abschlussbericht/renebat-iii.pdf.
- Fachagentur Windenergie an Land. Fledermausschutz an Windenergieanlagen. Berlin : Fachagentur Windenergie an Land, 9.2020. https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/FA_Wind_Analyse_Abschaltungen_Fledermausschutz_09-2020.pdf.
- enercast. Berücksichtigung der Fledermausabschaltung bei Windleistungsprognosen. [Online] : enercast, 8.5.2017. https://www.enercast.de/de/magazine/beruecksichtigung-der-fledermausabschaltung-bei-windleistungsprognosen/.
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