Behauptungen zur Windkraft – Insektenschlag

Libelle

Dieser Artikel ist Teil einer Serie über alle Behauptungen zur Windenergie.

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Ähnlicher Artikel: Vogelschlag.

Behauptung

Windkraftanlagen tragen enorm dazu bei, dass Millionen von Insekten in die Rotorblätter fliegen und daran sterben.

Diskussion

Das DLR-Institut für Technische Thermodynamik hat in Modellrechnungen tatsächlich ermittelt, dass an allen deutschen Windkraftanlagen während der warmen Jahreszeit (200 Tage von April bis Oktober) 5-6 Milliarden Insekten pro Tag umkommen, dies sind geschätzt 5% der Insekten, welche den Bereich der Rotoren durchfliegen, wobei wahrscheinlich nur wandernde Arten von den Verlusten betroffen sind, denn nur diese erreichen in nennenswerten Zahlen Flughöhen in den Rotorbereichen von Windkraftanlagen. (1) (2)

Es handelt sich bei der Studie um Modellrechnungen anhand von Literaturdaten. Zur Insektendichte in der Atmosphäre und zu ihrer Höhenverteilung liegen ihnen zu jedem der beiden Aspekte allerdings nur je eine Studie zugrunde. Daher kommen die Autoren selbst zu dem Schluss, dass ihre Modellrechnungen noch dringend durch empirische Studien überprüft werden müssen.

Bei der Untersuchung von Flügeloberflächen, welche die Betreiber der Anlagen jährlich vornehmen, wurden keine toten Insekten gefunden, was zeigt, dass tatsächlich kaum Insekten mit den Blättern kollidieren. (3) Mittlerweile liegt eine erste empirische Studie vor, welche keinen Zusammenhang zwischen Insektensterben und Windenergieanlagen findet. (13)(14)

Menge nachgewiesener Insekten an Klebefallen an Mastfuß und Kanzel
Menge nachgewiesener Insekten an Klebefallen an Mastfuß und Kanzel; Die Zahl der Insekten an der Kanzel ist zu jeder Messung signifikant geringer als am Mastfuß. Die höhere Anzahl an der Kanzel am 20.6.2018 erklärt sich aus fast völliger Windstille – weswegen dann auch keine Tiere erschlagen werden. (13)

Das Ergebnis der Hochrechnung der eingangs genannten Studie wäre bei näherer Betrachtung auch weit weniger bedrohlich als die angegebene Zahl glauben macht: Die ermittelten täglichen Verluste summieren die Autoren der Studie zu bundesweiten jährlichen Gesamtverlusten von 1.200 Tonnen Insektenbiomasse auf. Dies liegt in derselben Größenordnung wie die von Fahrzeugen getöteten Insekten (4): Es wurde die Anzahl getöteter Insekten verschiedener Arten pro Tag und Straßenkilometer ermittelt, rechnet man dies hoch auf die Anzahl Tage im Jahr, an denen Insekten unterwegs sind (200 Tage) und die Straßenkilometer in Deutschland (231.000 km außerörtlich (5)) und dem durchschnittlichen Gewicht der ermittelten Arten, kommt man auf ähnliche Werte, wobei der Einfluss von Straßen noch größer ist, als in den Studien ermittelt, denn sie zerschneiden Lebensräume und viele Arten versuchen gar nicht erst, die Straße zu überqueren, werden jedoch in ihrer Ausbreitung gehemmt, außerdem beeinflussen Luft-Verschmutzung und Salz Insekten negativ.

Beide Zahlen sind jedoch verschwindend gering gegenüber den durch Vögel getöteten Insekten. Diese fressen allein in Wäldern ca. 450.000 Tonnen Insekten pro Jahr, also das 375-fache! (6) (7) (Abbildung 1).

Tote Insekten Nach Ursache
Abbildung 1: Getötete Insekten nach Ursache (Schätzungen für Deutschland in Tonnen pro Jahr) (2) (4) (6)

Und all diese Zahlen stehen vollständig zurück gegen das Insektensterben, welches durch Pestizide verursacht wird. Es gibt keine Zahlen in Tonnen pro Jahr, aber der Rückgang ist so signifikant, dass er in Prozent angegeben wird, und die Zahl ist erschreckend: 80% weniger Insekten. (8)

Den überwiegenden Anteil am Sterben der Insekten wie Schmetterlingen und Bienen hat die industrielle Landwirtschaft mit ihren Pestiziden (Neonicotinoide), Herbiziden (Glyphosat), Überdüngung und die „pflegeleichte“ ausgeräumte, monotone Agrar-Landschaft. Ein besonders bedrückendes Phänomen ist die Fernwirkung der Gifte und Düngemittel selbst in weit entfernte Naturschutzgebiete. (9)

Insektensterben
Abbildung 2: Ursachen für das Insektensterben (Weltweit in Prozent) (10)

Vor diesem Hintergrund Windräder als Insektenkiller zu bezeichnen ist unglaublich ablenkend und irreführend. Der wahre Insektenkiller, der dringend reduziert werden muss, ist der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden in der Landwirtschaft. (11) (12)

Fazit

Die in einer einzigen Studie geschätzte Zahl getöteter Insekten wurde inzwischen durch eine empirische Studie wiederlegt. Selbst wenn sie korrekt gewesen sein sollte, ist sie angesichts des weltweiten Insektensterbens winzig klein.

Quellen

  1. Franz Trieb, Thomas Gerz und Matthias Geiger. Modellanalyse liefert Hinweise auf Verluste von Fluginsekten in Windparks. [Online] : ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN, 2018. https://www.dlr.de/tt/Portaldata/41/Resources/dokumente/st/et_1810_10_3_Trieb_BCDR_51-55_ohne.pdf.
  2. Franz Trieb. Interference of Flying Insects and Wind Parks. Stuttgart : Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, 30.10.2018. https://www.dlr.de/tt/Portaldata/41/Resources/dokumente/st/FliWip-Final-Report.pdf.
  3. Enertrag. Insekten. [Online] : Das erneuerbare Energiesystem. https://enertrag.org/2201-2/insekten/.
  4. Hoiß, Bernhard. Roadkill von Insekten. Laufen : ANLiegen Natur, 2020. https://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an42104hoiss_2020_roadkill.pdf.
  5. Wikipedia. Straßennetz. 2020. https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fennetz.
  6. LBV. Windkraftanlagen und Insekten. [Online] : Landesbund Vogelschutz Bayern, 2020. https://www.lbv.de/naturschutz/standpunkte/insektensterben/insektensterben-und-windkraft/.
  7. Nyffeler, Martin. Insectivorous birds consume an estimated 400–500 million tons of prey annually. [Online] : The Science of Nature, 9.7.2018. https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00114-018-1571-z#MOESM1.
  8. Sparmann, Anke. Pestizide und das Ende unserer Insekten . [Online] : GEO, 2017. https://www.geo.de/magazine/geo-magazin/15815-rtkl-tatort-wiese-pestizide-und-das-ende-unserer-insekten.
  9. BUND. Insektensterben: Ursachen, Quellen, Studien & Untersuchungen – Gift, Neonicotinoide, Dünger, Monokulturen, Ferneintrag & Globalisierung, Windräder? [Online] : BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein, 01.11.2019. https://www.bund-rvso.de/insektensterben-quellen-studien-ursachen.html.
  10. Schmidt, Fabian. Münchener Studie bestätigt starkes Insektensterben in Deutschland. [Online] : Deutsche Welle, 30.10.2019. https://www.dw.com/de/m%C3%BCnchener-studie-best%C3%A4tigt-starkes-insektensterben-in-deutschland/a-51051311.
  11. Mayer, Axel. Insektensterben / Schmetterlingssterben / Bienensterben 2019: Was tun? Stuttgart : Mitwelt Stiftung Oberrhein, 25.01.2020. https://www.mitwelt.org/insektensterben-bienensterben-was-tun.html.
  12. Sánchez-Bayo, Francisco. Worldwide decline of the entomofauna: A review of its drivers. [Online] : ScienceDirect, 4.2019. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006320718313636.
  13. Trusch, Robert. Anlockwirkung von Windenergieanlagen auf nachtaktive Insekten. [Karlsruhe] : Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe, 2.2.2021. https://www.smnk.de/fileadmin/page_content/pressemitteilungen/Carolinea_78_2020_Anlockwirkung_von_WEA.PDF
  14. Crome, Kira. Windenergie: Studie sieht keinen Einfluss auf das Insektensterben. [Online] : Sonnenseite, 07.04.2021. https://www.sonnenseite.com/de/umwelt/windenergie-studie-sieht-keinen-einfluss-auf-das-insektensterben/

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