Definition des Begriffes „Residuallast“
Strom ist flüchtig – man kann ihn nicht in Säcken kaufen. Es muss zu jedem Zeitpunkt immer genau so viel zur Verfügung stehen, wie gebraucht wird. Wie kann man das sicherstellen? Um das zu verstehen, müssen wir uns eine einfache Gleichung anschauen:
Residuallast = Nachfrage – Angebot
Das Wort „Residual“ bedeutet „Rest“ – also der Teil der Last, der vom Angebot nicht gedeckt ist. Idealerweise ist die Residuallast gleich Null, weil das Angebot genau die Nachfrage deckt.
Residuallast im bisherigen Energiesystem
Was aber, wenn das nicht der Fall ist? Im bisherigen Energiesystem standen folgende Mittel zur Verfügung, um dies zu erreichen:
- Angebot anpassen. Dies wird dadurch erreicht, dass Kohle- und Gaskraftwerke weniger oder mehr produzieren. Kernkraftwerke lassen sich nicht so einfach drosseln, und auch Kohlekraftwerke brauchen ihre Zeit, um die Produktion zu erhöhen oder zu reduzieren
- Den Überschuss ins Ausland verkaufen bzw. Fehlmengen im Ausland kaufen. Aus diesem Grund ist Deutschland netto-Exporteur von Strom und auf ein europaweites Stromnetz angewiesen
- Strom in Pumpspeicherkraftwerken zwischenspeichern. Deren Kapazität ist allerdings in Deutschland sehr gering und eignet sich daher nur zum Abfangen von extremen Spitzen
Residuallast bei Erneuerbaren Energien
Das hat bisher auch ganz gut funktioniert, weil der Verbrauch in Deutschland sehr vorhersehbar ist. Er schwankt täglich, aber immer auf dieselbe Weise. Nun aber kommen die erneuerbaren Energien hinzu, und in Zukunft sollen sie unseren Strombedarf alleine decken. Allerdings scheint die Sonne und weht der Wind nicht jeden Tag gleich stark, daher schwankt nicht mehr nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot. Um auch unter diesen Voraussetzungen eine sichere Versorgung zu garantieren, wurden eine Menge zusätzlicher Elemente erfunden, welche die Residuallast kontrollieren, denn auch das Angebot an erneuerbarer Energie ist dank Wettervorhersagen gut vorhersehbar:
Angebot steuern
- Bei Energie-Überschuss (Residuallast negativ) erneuerbare Energien abregeln. Dies lässt sich insbesondere bei Windkraftwerken sehr einfach realisieren, indem sie aus dem Wind gedreht werden. Wäre aber schade, den schönen Strom wegzuwerfen, oder?
- Bei Energie-Mangel (Residuallast positiv) zusätzliche sogenannte Residuallast-Kraftwerke hochfahren, also Kraftwerke, welche die Versorgungslücke kurzfristig schließen können. Neben den bereits genannten Pumpspeichern sind dies in Zukunft:
- Gaskraftwerke, die sich sehr schnell regeln lassen. Ihren Brennstoff erhalten sie aus grünem Methan oder Wasserstoff
- Flexibilisierte Biomasse-Kraftwerke. Bisher laufen Biomasse-Kraftwerke konstant durch wie Kernkraftwerke. Der Grund hierfür ist allerdings anders als bei der Kernkraft kein technischer, sondern ein finanzieller: Wenn sie nicht produzieren, erhalten die Betreiber kein Geld. Dabei lässt sich Biomasse einfach speichern und kann bei Bedarf verstromt werden
- Batteriespeicher – hierzu zählen nicht nur Großspeicher oder Hausbatterien, sondern auch die riesige Flotte der Elektroautos, die einen Teil ihrer Energie wieder ans Netz abgeben könnten, sobald das bidirektionale Laden zum Standard wird
Nachfrage steuern
- Bei Energie-Überschuss (Residuallast negativ) den Strom speichern: Nicht nur in Pumpspeichern, sondern auch in
- Hausbatterien, Großbatterien und Elektroautos
- Power to Gas: Erzeugung von grünem Wasserstoff und Methan
- Wärmespeicher aufheizen („Sektorenkopplung“)
- flexible Verbraucher zuschalten, also Geräte die nicht zu bestimmten Zeiten laufen müssen (Kühlschränke, Waschmaschinen, …)
- Bei Energie-Mangel (Residuallast positiv) den Verbrauch reduzieren:
- Industrieanlagen drosseln, flexible Verbraucher abschalten, Elektroautos langsamer laden
Die Politik ist gefragt
Diese Flexibilisierung der Nachfrage nennt man Demand Side Management (Laststeuerung) und sie ist ein Kernstück der Energiewende – denn das gab es bisher im Energiesystem in Deutschland noch nicht. Damit es sich lohnt, braucht es die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen: Strom muss bei Überschuss billiger sein, damit sich das Speichern lohnt und bei Mangel teurer, damit sich das Sparen und das Rückeinspeisen lohnt. An der Strombörse ist dies auch der Fall, aber für die Endverbraucher ist der Preis konstant – nur die großen Energieversorger profitieren von den Preisschwankungen. Je mehr Überschussstrom aber durch flexible Verbraucher abgenommen wird, desto stabiler ist auch der Preis an der Börse, was wiederum die EEG-Umlage verringert.
Nicht der Mangel an Technologie ist daher das Problem für das Energiesystem der Zukunft – sondern der Mangel an politischem Willen bei der aktuellen Bundesregierung. Helfen Sie mit, den Umbau unseres Energiesystems zu beschleunigen und unterstützen Sie Parteien, die dies ebenfalls wollen!
- https://energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=en&c=DE&week=20
- https://www.next-kraftwerke.de/wissen/residuallast
- https://www.energie-lexikon.info/residuallast.html
- https://www.energymeteo.de/_media/dokumente/downloads/best-practice-guide-giz_06_technology.pdf
- https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf
Diesen und weitere Artikel finden Sie unter https://energiewende.eu/kurzinfos
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