Energiewende im Mehrfamilienhaus

Arbeitspapier zu einer der wichtigsten Fragen der Energiewende: Wie kommen so viele Photovoltaikanlagen wie möglich auf die Dächer?

Energiewende im Mehrfamilienhaus
Energiewende im Mehrfamilienhaus

Radikaler Systemwechsel durch erneuerbare Energien

Wie können die dringend nötigen Investitionen für einen CO2-freien Gebäudebestand sowohl für Liegenschaftsverwaltungen als auch für die Mieterschaft angestoßen werden?
Erneuerbare Energien sorgen dafür, dass sofort nach der Installation kein CO2 mehr durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen entsteht. Idealerweise sinken Personal- und Betriebskosten nach der Investition und es fällt erheblich weniger Verwaltungsaufwand an.
209,6 Millionen Tonnen des deutschen CO2-Ausstoßes sind auf Nutzungen im Bereich Wohnen zurückzuführen. Hiervon ist die Raumwärme mit 60,8 % beteiligt. Mehr als die Hälfte aller Wohneinheiten befinden sich in Mehrfamilienhäusern, welche zu einem großen Teil vermietet werden.

Fazit: in naher Zukunft werden Millionen von besonders ausfallgefährdeten Heizungen ersetzt werden müssen. Diese Investitionen müssen die steigenden Anforderungen des Klimaschutzes erfüllen und trotzdem wirtschaftlich vertretbar sein.

Das Energieflatrate-Konzept

Zur Steigerung der energetischen Sanierungsquote und effektiver Umsetzung der Wärmewende erzeugt das neue Finanzierungsmodell einer Energieflatrate hohe Aufmerksamkeit. Der bahnbrechende Ansatz liegt darin, im Sommer/Herbst erneuerbaren Ökostrom für den Winterbedarf zu speichern und den Mietparteien eine pauschale Energiemenge zur freien Verfügung in den Mietvertrag einzupreisen. Das Erfolgsmodell ist deshalb attraktiv, weil die Energieversorgung die Nähe der Energie-Autarkie erreicht.

Eckpunkte des Modells

  1. das Gebäude wird mit maximal möglicher Photovoltaikleistung plus Speicher belegt
  2. im Mietvertrag garantieren die Eigentümer:innen allen Mietparteien eine Energieflatrate. Diese besteht aus Wärme, Strom für E-Mobilität und für Haushaltsgeräte
  3. ein Servicevertrag mit dem Energieversorger sichert einen kostenlosen Energietransfer vom Sommer/Herbst-Stromüberschuss und Speicherung von Wärme/Strom in Langzeitspeicher. Dieser Ökostrom fließt zu 2/3 im Winter ohne Berechnung zurück. Die Kosten für den Servicevertrag (inklusive Energieberatung für alle Bewohner:innen) und das letzte Drittel Energielieferung werden über die Umlagen abgerechnet. Es existiert im gesamten Mehrfamiliengebäude (MFG) nur ein einziger Stromzähler
  4. Aufgrund der Investitionen steigt der Mietpreis pro m2, während die Umlagen spürbar sinken
  5. durch Umsatzsteigerungen bei gleichzeitig relevanten Kostenreduzierungen steigen die Gewinne
  6. MFG benötigen wesentlich geringere Investitionssummen für Heizung/Kühlung. Im Idealfall sinken die Betriebskosten für Heizung bis nahe NULL Euro
  7. weniger Bürokratie entlasten die Liegenschaftsverwaltungen. Mieterstrommodelle und EEG sind für das Energieflatratemodell nicht notwendig
  8. eventuell steht auf einem Gebäude nicht genug Fassaden- und Dachfläche zur Verfügung. Wenn möglich schließen sich deshalb Eigentümer:innen der Nachbargebäude zusammen, um mit einem gegenseitigen Kooperationsvertrag die dezentrale Energiezellenformel: Energetisches Angebot = Energetische Nachfrage umzusetzen.

Wieso rechnet sich das neue Geschäftsmodell?

1. Vermieterseite-Technik

Das absolut wichtigste Kriterium für eine Investitionsentscheidung liegt in möglichst hohen Renditen bei langfristiger Wirtschaftlichkeit.
Für MFG sind die technischen Optionen begrenzt. Um Öl- oder Gasheizungen zu ersetzen, können sich die Investoren für eine Kombination aus Solarthermie, Photovoltaik, ggf. Kleinwindkraft, Blockheizkraftwerke (BHKW), Wärmepumpen und Infrarotheizungen entscheiden.

Erneuerbare Heizungssysteme

a) Holz

In der Fachwelt wird gestritten, ob Holz, besonders Pelletheizungen, als erneuerbare Energien eingestuft werden können. Da Holz nach den Meeren der größte CO2-Speicher ist, bewirkt jede Verbrennung einen CO2-Anstieg. Auch im Schadstoffbereich Feinstaub und nicht kalkulierbarer zukünftiger Preise muss Holz kritisch gesehen werden.

b) Wärmepumpen
Wärmepumpen bieten zwar den Vorteil, dass diese im Sommer die Räume kühlen können. Doch energetisch muss die Wärmepumpe entsprechend hoch dimensioniert sein, um den Wärmespeicher und die Räume gerade im Winter mit Heizwärme zu versorgen. Durch relativ hohen Stromverbrauch aus dem Stromnetz existieren heute schon Wärmepumpen-Stromabschaltungen für mehrere Stunden. Eine abgespeckte Version nur für Warmwasser kann in Verbindung mit Solarthermie wirtschaftlich sein.

c) BHKW

In MFG sind BHKW grundsätzlich die bessere energetische Lösung als eine Wärmepumpe. Der Grund hierfür liegt darin, dass Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt werden, und somit doppelte CO2-Einspareffekte entstehen. Allerdings wird in kalten Nächten eine Zusatzheizung benötigt. Diese erfolgt heute meist über die Gasleitung.
Somit bleibt weiter eine Abhängigkeit von Import-Erdgas für mehrere Jahre pro MFG bestehen. Die Option, zu warten bis ausreichend Wind- oder Solargas durch Power-To-Gas bereitstehen, fällt für die meisten Immobilienentscheider wahrscheinlich negativ aus.

Gravierende Nachteile von Wärmepumpen und BHKW

In der aktuellen Marktsituation existieren keine finanziellen und wirtschaftlichen Vorteile, wenn Photovoltaik gleichzeitig zu Wärmepumpe/BHKW installiert wird. Wahrscheinlich kippt die Planung durch nicht vorhandene Wirtschaftlichkeit. Steuererleichterungen werden im Falle einer Investitionsentscheidung mitgenommen. Sie sind aber selten ausschlaggebend für eine umfassende Investitionsentscheidung.
Im Gegensatz zu Infrarotheizungen sind BHKW und Wärmepumpen wartungsintensive und komplexe Techniken. Sie benötigen zudem viel Platz für den „Brenner“, Steuerungseinrichtung, Sicherheitselemente, Rohrleitungen und Heizkörper in jedem Raum vom MFG. Weiterhin bezahlt jede Mietpartei ihre vermutlich weiter steigende Stromrechnung selbst und erhalten wie bisher eine individuelle Umlagen/Nebenkostenabrechnungen für Heizung/Wärme.

Optimale Renditen durch Infrarotheizungen

Idealerweise erfolgt die Heizwärmebereitstellung über Infrarotheizungen, die an Wänden oder an der Decke die Innenräume erwärmen. Sämtliche technische Anlagen wie „Heizbrenner“, Leitungsrohre, Warmwasserheizkörper, Öltank/Pelletlager fallen genauso weg wie die personell und finanziell aufwendigen Nebenkostenabrechnungen.
Wartungsfreie und in der Anschaffung günstige Infrarotheizungen verwenden erneuerbaren Strom. Das gilt auch für kleinere Elektrogeräte für die Handwaschbecken und dem Durchlauferhitzer. Diese Geräte ziehen nur noch selten Strom aus dem kostenpflichtigen öffentlichen Stromnetz. Wärmespeicher und sinnvolle Teildämmungen reduzieren den Strombedarf zusätzlich.

Unter der administrativen Steuerung vom Energieversorger wird über E-Ladestationen Strom aus benachbarten Gebäuden bezogen oder gespeichert (Energiezellenkonzept).

Technische Umsetzung

Sobald alle juristischen Fragen geklärt sind und die Finanzierung steht, montieren die Solarinstalleure auf dem Dach und an der Fassade eine leistungsstarke Photovoltaikanlage.

Kleinwindanlagen erhöhen die maximale Ökostromproduktion im Gebäude. Notwendige Reparatur- und Dämmungsmaßnahmen werden in einem mittelfristig angelegten Investitionsplan zusammengefasst.
Da die gesamte Energieversorgung überwiegend elektrisch erfolgt, sind Investitionen in das hausinterne Stromnetz sicherlich unvermeidbar.
Fazit: teure und ökologisch unverantwortlichen CO2-Heizungen werden sofort nach der energetischen Sanierung zu 100 % aus den Heizkellern und den Wohninnenräumen verbannt. Außerdem endet die Platzverschwendung durch Radiatoren-Aufstellung.

2. Vermieterseite–Finanzvorteile

Es entstehen keine Objekt-Kosten mehr für:

• Wartung/Reparatur/Rücklagen für Ersatzkauf der fossilen Heizungsanlage
• Technikräume für Brennerkessel, Öltank oder Pellets können erstmals als Kellerräume vermietet werden
• Personal für Heizkostenaufteilung der Nebenkosten/Umlagenabrechnungen
• Vorleistungen und Kapitalabfluss für Öl/Gas–Lieferungen
• Schornsteinfeger
• Preissteigerungen von Öl/Gas
• Betriebskostenabrechnung.

Sinkende Kosten bedeuten steigende Investitions- und Betriebsrenditen. Zudem entstehen erhebliche Objekt-Wertsteigerungen.

Durch höhere Miete pro m2 steigt der Umsatz. Allerding gibt es erhebliche Entlastungen bei den Umlagen und Nebenkosten. Denn 80 % der jährlichen verbrauchten Kilowattstunden in einem Durchschnittshaushalt und entsprechende Energiekosten von Heizung und Warmwassererzeugung entfallen komplett.

Drastische Kosteneinsparungen für Mietparteien und EWG-Bewohner:innen

Sämtliche fossile Brennstoffe für Heizung, Warmwassererzeugung und demnächst auch für das KFZ werden zu 100% durch erneuerbaren Strom ersetzt.  Das bedeutet auch, dass keine Mietpartei eine Stromrechnung und eine externe Heizkostenabrechnung mehr erhält und nie wieder Geld für Strom/Öl/Gas und mittelfristig für Benzin/Diesel ausgeben muss.

Auch die bisher genutzten 3.500 kWh aus dem Haushaltstromverbrauch sinken durch Photovoltaik mindestens um die Hälfte. Trotz Kaltmietenerhöhungen entstehen hohe Kaufkraftgewinne der Bewohner:innen.

Fazit: mit der 3-fachen CO2-Reduktion pro MFG beschleunigt sich die dezentrale Energiewende!

Neue Geschäftsfelder für Energieversorger

Durch eigene Energieherstellung vieler Endenergieverbraucher:innen verändert sich das bisherige Geschäftsmodell der Energieversorger. Die Zeiten von reiner Erzeugung, Stromlieferung und Abrechnung sind vorbei.
Im neuen Solarzeitalter stehen Kundenenergieberatung und technische Umsetzung der erneuerbaren Energieströme in dezentralen Energiezellen im Vordergrund.
Ebenso erhalten die Energieversorger über Contractingangebote und Beteiligungen in Energiegenossenschaften neue Einnahmenquellen.
Eventuell fehlender Strom zur Deckung der energetischen Nachfragen decken die Energieversorger aus Zukäufen von zertifizierten Ökostromanbietern oder eigenen Anlagen. Dies wird im Servicevertrag mit den Eigentümer:innen eingepreist.

 

Weitere Quellen zur Energieflatrate:
Wirtschaftsforum
Energie-Bau
Vermieter-Ratgeber
BBA-Online

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Über Juergen Eiselt 13 Artikel
Klimaaktivist von Anfang an - erste Demo gegen Kohlekraftwerke schon Anfang der 1980er Jahre - Ausbildung: - Projektmanager für erneuerbare Energien, inklusive Energieberatungsausbildung - Berufserfahrungen: - Photovoltaikplanungen, Vertrieb und Energieberatungen vor Ort - Kommunikation: Energiefachbuchautor / Publizist - Vorträge und Präsentationen rund um Klimaschutz und erneuerbare Energien - Unterstützung von Umwelt- und Klimaschutzverbände