Artenschutz und Energiewende

Eine Diskussion zur Biodiversitätskrise, zur Klimakrise und zur Windkraft im Wald

Fledermaus auf Baumstamm

Es diskutieren:

Meike Weichold, Ergotherapeutin und Admin in einer Dialog-Gruppe zur Verkehrswende. Sie ist erst vor einem Jahr zur Aktivistin geworden und erschrocken, in welchem Schlamassel wir stecken. Die Klimakrise ist für sie natürlich ganz klar an die Ökokrise gekoppelt.

Axel Donning, Dipl. Landschaftsökologe und Experte für Fledermäuse. Ist der Meinung, dass grünes Wachstum uns nicht retten wird, die Transformation zu einer Post-Wachstums-Gesellschaft ist unvermeidlich.

Boris P., Erzieher. Sein Dauerthema: Seit 100 oder mehr Jahren verbrennen wir fossile Rohstoffe, beuten die Erde insgesamt aus und zerstören sie. Jetzt ist es buchstäblich 5 nach zwölf und wir sind gezwungen zu handeln.

Thomas Rinneberg, Diplom-Technomathematiker und Software-Architekt. Recherchiert und schreibt seit Anfang 2020 ehrenamtlich für energiewende.eu. Glaubt, dass der Konflikt zwischen Arten- und Klimaschutz von den fossilen Industrien künstlich aufgebauscht wird, um Windkraft zu verhindern.

 

Meike: Ich habe im Moment nur Fragen und dass ich mich dringend schlau machen möchte, um wirklich urteilen zu können. Da sind Fragen wie: Wie viele Waldwindräder sind in Planung? Wo genau? Wie schaut es eigentlich ringsum ein Waldwindrad aus, das 1 Jahr, 5 Jahre oder auch 10 Jahre steht? Gibt es Beobachtungen über Wildkameras oder von Förstern, wie die Tiere sich verhalten? Inwieweit eröffnen die revidierten Infraschallmessungen neue Möglichkeiten beim Platzieren der WKAs (Windkraftanlagen)? Werden Zufahrtswege asphaltiert oder nicht?

Thomas: Bei den Planungen läuft es so ab, dass vom Land oder vom Kreis Windvorranggebiete ausgewiesen werden, welche grundsätzlich Windkraft sinnvoll und verträglich erscheinen lassen und umgekehrt auch Ausschlussgebiete. Diese sind mittlerweile schon für große Teile Deutschlands festgelegt. Trotzdem muss jede konkrete WEA (Windenergieanlage) ein Genehmigungsverfahren durchlaufen, auch wenn sie in einem Vorranggebiet errichtet werden soll. Daher findest Du im Artikel https://energiewende.eu/windkraft-abholzung/#Flachenbedarf insgesamt nur Hochrechnungen auf Basis der ausgewiesenen Gebiete, die tatsächlichen Anlagen liegen weit darunter.

Die Fragen „wie schaut es aus, werden Wege asphaltiert“ werden im selben Artikel behandelt.

Zur Frage nach den Tieren sind noch Forschungen nötig, um alle Tierarten abzudecken, denn sie sind sehr unterschiedlich sensibel. Was bisher bekannt ist, habe ich im Artikel https://energiewende.eu/windkraft-bodenwild/ zusammengetragen. Zum Zeitpunkt der Recherche waren Forschungen am Laufen, insbesondere zum Auerhahn, der wohl sensibelsten Art. Diese sind offenbar mittlerweile abgeschlossen: https://www.badische-zeitung.de/auerhuehner-meiden-windraeder-sind-aber-von-ihnen-nicht-gestresst–183493053.html

Meike: Die vielen Personen, die in dem Bericht zu den Auerhähnen gelistet waren, wirken vertrauenserweckend und sprechen für die „Richtigkeit“ der Studie.

Axel: Ich kenne den Bericht nicht – ich glaube auch, dass der seriös ist. Ich habe aber andere Berichte über andere Tiergruppen, die von einer zu geringen Datenbasis ausgehen und die zu anderen Schlüssen kommen. Über Fledermäuse ist recht viel gemacht worden – es bleiben sehr viele Fragezeichen. Aber es gibt ja auch noch andere Punkte. Ich selbst lebe zu einem großen Teil auch von den Aufträgen für die Windkraft – ich versuche aber, unabhängig und kritisch zu bleiben. Als in NRW die Abstandsregeln zur Wohnbebauung dank Schwarz-Gelb so verschärft wurden, war das für mein Büro kritisch. Wir haben aber zum Glück auch andere Aufträge: Forschungsvorhaben, FFH-Monitorings usw.

Boris: Was mich wundert: Wenn 2,7% der deutschen Wälder für die sehr viel bessere Technik WKA (d.h. Windkraftanlagen) genutzt werden sollen, wird plötzlich jeder zum Umweltschützer? So meine Facebook Erfahrungen.

Das finde ich äußerst scheinheilig, da das Niger Delta etc. pp. z.B. nie -wirklich- interessiert hat. Liegt das daran, dass die Umweltzerstörung nicht im deutschen Wald stattfand, oder dass da nicht eine „schöne“ Autobahn gebaut wird?

Wir können jetzt 20 Jahre über Details streiten, aber dann ist es zu spät.

Bis die Menschheit ihr Verhalten ändert, dauert das hunderte Jahre.

Also sollte man sich fokussieren und vor allem handeln. Und man sollte sich immer die Umweltschäden der Alternativen und der Vergangenheit vor Augen halten, die vor allem im Ausland stattfinden.

Axel: Ich will auch nicht kleinlich sein, aber ich möchte auch gerne Unterstellungen vermeiden: Ich habe mich auch für das Nigerdelta interessiert und bin nicht erst seit dem Bau von WKA (Windkraftanlagen) in Wäldern „Umweltschützer“. Vielleicht meintest Du mich aber auch gar nicht, Boris?

Boris: Nein, ich meinte nicht Dich, sondern, wie geschrieben, „meine Facebook-Erfahrungen“ im Allgemeinen und damit eine Schwierigkeit, die ich sehe, auch aus dem Zeitdruck heraus.

Axel: Ok, alles klar! Boris, sage mir, ob ich Dich falsch verstanden habe: Du bist der Meinung, die Klimakrise rechtfertigt alle (nicht offensichtlich falschen) Maßnahmen, da der Schutz unseres Klimas dazu führt, dass auch die Biodiversitätskrise beendet ist?

Boris: Nein. Ich sehe eine Priorität bei der Klimakrise, insofern dass wir die Erderwärmung bremsen müssen. Das rechtfertigt aber meiner Meinung nach z.B. nicht Atomkraft, die manche favorisieren.

Den Zusammenhang zwischen Biodiversität und Klimawandel sehe ich ganz klar, aber natürlich gibt es weitere Auslöser für das Artensterben.

Nur sehe ich die EE (erneuerbaren Energien) als guten und einzigen Ausweg für die Klimakrise. Insbesondere in Relation zu dem was wir hatten. Die sollte man so schonend wie möglich einsetzen, klar.

Axel: Boris, das ist ja eine klare Ansage und auch ok so – ich denke, Deine Denkrichtung wird sich da auch durchsetzen. Aber um zu den Fakten zurückzukommen:

Die Menge an benötigter Energie, die wir durch EE produzieren müssen, ist direkt mit unserem Konsum gekoppelt.

Je weniger wir verbrauchen, desto besser können wir eine Entscheidung treffen (z.B. ob wir WKA im Wald bauen). Wir können nicht unseren Planeten schon wieder umkrempeln, und alles nur noch auf eine „grüne Energieerzeugung“ ausrichten. Wir müssen weg von den fossilen Brennstoffen, unseren Überkonsum beenden und das, was wir wirklich benötigen durch EE bestreiten. Die Frage ist, ob wir den Wald dafür benötigen, ob wir Naturschutzgebiete benötigen und wie wir unsere Ökosysteme sonst noch schützen.

Boris: Ich glaube eben nicht daran, dass sich die Menschen so schnell ändern. 1,6% sind Veganer, einige fahren E-Auto, manche Fahrrad, manche haben Photovoltaik auf dem Dach. Aber es sind zu wenig. Ich diskutiere seit 2,5 Jahren mit solchen Menschen und es ist zum Verzweifeln. Das geht nur über Gesetze und Preise.

Und es sind wir Reichen, die prassen und wegwerfen. Mit 1000 Euro gehört man zu den ~12% der weltweit reichsten Menschen.

Also muss man vom Status Quo ausgehen und erstmal Windkraft in Wäldern bauen, um den ganzen Wald zu retten, und ich gehe davon aus, dass es dazu keine Alternative gibt. Strom aus Marokko finde ich auch nicht ökologisch und irgendwie postkolonial.

Axel: Ja – es geht über Gesetze und Preise. Genau, aber wenn wir nicht sofort unseren Konsum verändern (also über Preise, vernünftiges Argumentieren, Ordnungspolitik), werden wir es nicht schaffen. Die Alternative, stattdessen alles darauf auszurichten, dass der Konsum weitergeht (indem wir die Energie dazu liefern), ist keine echte Alternative, weil der Überkonsum mit seinem induzierten Rohstoffhunger ebenfalls zum Abgrund führt – die Welt hat dann vielleicht ein paar Jahre länger, vielleicht auch nicht.  Und nun würde ich gerne, wirklich gerne hören, wie viel Energie die WKA im Wald denn tatsächlich liefern, und warum nicht zuallererst die vielen, am Widerstand der „Not in My Backyard-Fraktion“ scheiternden Standorte außerhalb der Wälder genutzt werden.

Die Abstandsregeln zur Wohnbebauung sind das eigentliche Problem.

Thomas: Ich möchte Axels Frage noch für mich beantworten: Die beiden Krisen haben einen Überlapp, aber auch Unterschiede. Der Überlapp ist zum einen die Habitatschädigung durch den Klimawandel (sterbende Wälder wegen Trockenheit), zum anderen die massive Landnahme der Menschheit, welche ihrerseits den Klimawandel befeuert. Die Unterschiede sind natürlich, dass der Klimawandel nur indirekt auf die Biodiversität einwirkt, es aber für diese noch viele weitere Ursachen gibt, die ebenfalls angegangen werden müssen. Aber man muss dort ansetzen, wo der Hebel jeweils am größten ist.

Axel: Der Hebel ist derzeit bei der Habitatvernichtung am größten – es tut mir leid, das sagen zu müssen. Würden wir sofort die Hälfte der Erdoberfläche unter strengen Schutz stellen und kaputte Ökosysteme regenerieren, wären wir einen erheblichen Schritt weiter – auch bezüglich Klimawandel. Würden wir auf der Stelle unseren Konsum auf ein vernünftiges Maß bringen, hätten wir auch gewonnen. Würden wir uns zuerst um WKA-Standorte bemühen, die außerhalb des Waldes liegen, wären wir weiter. Es geht um eine differenzierte Strategie, die entwickelt werden muss. Würde man die lächerlichen Abstandsregeln zur Wohnbebauung ändern, würde erst einmal kein Windrad im Wald gebraucht und man würde die Zeit gewinnen, intensiv darüber zu forschen, anstatt Fakten zu schaffen.

Schlagopfersuche

Und noch eine Sache: Wir führten ja, als das Phänomen Windkraft und Kollisionen mit Vögeln und Fledermäusen insgesamt neu war, immer mal wieder Schlagopfersuchen unter WKA durch. Ich fand etliche Kleinvögel (Stare), die ich nicht mit ins Gutachten aufnehmen dufte, weil die ja nicht „streng geschützt“ sind. Dann fand ich einen Turmfalken, der streng geschützt ist, der mir aber auch wieder aus dem Gutachten gestrichen wurde, weil ich ja nur die Fledermäuse bearbeiten sollte. Die Fledermäuse wurden in den sehr frühen Morgenstunden von einer Kehrmaschine beseitigt, bis meine Mitarbeiter diese Unsitte unterbanden. Wir fanden eine nicht ganz unerhebliche Zahl von Fledermäusen, und entwickelten mit einer großzügigen Hochrechnung Abschalt-Algorithmen für die Windkraftanlagen. Der Betreiber fand das natürlich blöd; ich weiß auch nicht, ob die für ihn vorgeschrieben Abschaltungen jemand kontrolliert. Was ich eigentlich sagen will: Wer mal eine nicht ganz tote, sondern schwer verletzte Fledermaus oder einen schwer verletzten Rotmilan sieht, dem ein halber Flügel abgetrennt wurde, dem fällt es gar nicht so leicht, da völlig emotionslos heranzugehen. Bei den Fledermäusen ist es das so genannte Barotrauma, was oft Tiere tötet: Dieses lässt die Lungen durch den Unterdruck, der hinter dem Rotor entsteht platzen und die Fledermaus stirbt nach einiger Zeit qualvoll. Dieses Phänomen lässt sich nicht beziffern, da die Tiere in der Regel nicht gefunden werden. Aber es tut einem Tierökologen oder einer Tierökologin (die auch „emotionslos“ an ihren Job gehen soll) doch wirklich weh, sofern sie noch menschliche Regungen in sich trägt.

Meike: Mir geht nicht aus dem Kopf, wovon du berichtet hast, Axel. Dass Vogelkadaver entfernt wurden ehe ihr den Ort am WKA untersucht habt. In welchem Jahr war das?

Axel: Das war im Jahr 2017, wenn ich mich recht erinnere.

Bei den WKA – Betreibern gibt es sehr gute und sehr schlechte.

Aber entfernt wurden die Fledermauskadaver – die Vogelkadaver wurden nur aus meinem Bericht gestrichen. Mein Kollege Ulf Rahmel hat mit einer Wildkamera beobachtet, wie ein Betreiber mit Hilfe eines Hundes vor Sonnenaufgang nach toten Fledermäusen gesucht hat, damit die nicht gefunden werden. Das ist aber wirklich selten und hat auch keinen nennenswerten Einfluss auf unsere Daten.

Thomas: Kannst Du eine Systematik feststellen, welche Betreiber gut und welche schlecht sind?

Axel: Was die Betreiber anbelangt, das kann man nicht sagen; in Ostfriesland, wo die Betreiber auch gewohnt sind, dass sehr genau hingeschaut wird, sind viele Betreiber sehr einsichtig. Tatsächlich gibt es aber auch die, die vor der Bearbeitung Rotmilan-Horste umsägen. Es ist wie mit allen Menschen.

Thomas: Das mit den Rotmilan-Horsten ging auch durch die Gruppen, leider habe ich kein Update mitbekommen, was die Polizei herausgefunden hat. Die Meinung in der EEW-Gruppe (europäische Energiewende) war vor allem völliger Unglauben, dass ein WEA-Betreiber so dumm sein kann, so etwas zu tun, denn wenn das rauskommt, kann er seine WEA erst recht vergessen, abgesehen davon, dass das Gutachten wahrscheinlich wiederholt werden muss, was die ganze Sache eh noch weiter verzögern würde. Die Vermutungen gingen dahin, dass es wenn überhaupt die Verpächter waren, die die Anlagen um jeden Preis haben wollten.

Außerdem sind in der EEW-Gruppe alle für Bürgerenergie, d.h. genossenschaftliche Betreiber anstatt großen Firmen, und daher meine Frage. Leider fördern die von der CDU durchgedrückten Ausschreibungsregeln für WEA große Firmen, weil die Hürden mittlerweile so hoch sind, dass Bürgergenossenschaften das Geld nicht mehr aufbringen können.

Axel: Es wurden mehrere Rotmilan-Horste umgesägt, von denen man nicht weiß, ob es der Betreiber war oder der Verpächter. Es wurden aber von beiden Seiten Leute erwischt – und (das muss ich leider sagen) die Bürgerwindparks tun sich da besonders hervor. Ich kann Material recherchieren und zusammenstellen. In Balge wurde vor wenigen Jahren ein Seeadler-Horst ausgeschossen – aus Frust, weil ein Windpark dort nicht genehmigt wurde. Der Täter wurde von Spaziergängern beobachtet und zu einer Haftstrafe verdonnert. Er gehörte zu den Verpächtern der Fläche, die für eine Stellfläche damals ca. 50.000 Euro pro Jahr bekamen. Dann gibt es noch Kollegen (also Biologen) die sich extrem betreiberkonform verhalten und illegal Vergrämungsmaßnahmen durchführen.

Individualschutz vs. Populationsschutz

Dann noch kurz zu den Fledermäusen: Nach Europäischem Recht ist die Tötung von Fledermäusen verboten. Da aber die Gerichte der Auffassung waren, dass man dann überhaupt keine Planungen mehr durchführen könne, wurde der Begriff des „natürlichen Lebensrisikos“ eingeführt, welcher besagt, dass das Risiko nicht gegenüber anderen Lebensrisiken signifikant erhöht sein darf. Was das bedeutet, kann eigentlich niemand genau sagen, weil wir einfach nicht wissen, wie man das „allgemeine Lebensrisiko“ eines K-Strategen (d.h. Arten, deren Population an der Kapazitätsgrenze ihres Biotops liegen, daher niedrige Reproduktionsraten haben) ermitteln kann, ohne überhaupt irgendwelche Populationsgrößen zu kennen. Juristisch ist die Ausnahme vom strikten Verbot, streng geschützte Arten zu töten durch den §45 des Bundesnaturschutzgesetzes abgedeckt. Dort wird aufgrund „zwingenden, öffentlichen Interessen“ eine Ausnahme zugelassen, wenn aber gleichzeitig die Population nicht beeinträchtigt wird. Das versuchen die Grünen derzeit – und ich bin mir ziemlich sicher, dass es hier Stress mit der EU-Kommission geben wird.

Warum man die Population von Tieren nicht verkleinern darf, obwohl sie vermutlich gar nicht aussterben werden:

Biodiversität bedeutet ja nicht nur Artenvielfalt, sondern es bedeutet auch einen möglichst breiten Genpool.

Den benötigen wir ja gerade, um Herausforderungen wie den Klimawandel durch Anpassung meistern zu können. Einfachstes Beispiel: Das Rotkehlchen: Dort gibt es ziehende und nicht ziehende Individuen. Bei bestimmten Witterungsbedingungen profitiert die eine, bei anderen die andere Gruppe (natürlich extrem vereinfacht – in Wirklichkeit ist das alles eine unendlich komplizierte Matrix). Die Population profitiert aber immer von denen, die gerade „im Nachteil“ sind. Es ist gut, wenn sie da sind, weil die Population resilient (d.h. widerstandsfähig) wird, wenn sie bei sich verändernder Witterung etwas „in der Hinterhand“ hat. Die Paläogenetik bietet hierfür eine ganze Menge an Beispielen. Man benötigt natürlich gerade bei den K-Strategen (also bei den Greifvögeln und den Fledermäusen) möglichst große Populationen, weil die Diversität des Genpools immer ausreichend groß sein muss. Bei R-Strategen (d.h. Tiere mit hoher Reproduktionsrate) (man kann ja auch die immer gerne verglichenen Kleinvögel nennen – der Streit um das entsprechende Balkendiagramm mit den Katzen und Fensterscheiben ist Euch vielleicht noch präsent) sind ja immer so große Anzahlen von Nachkommen parat, dass „da schon irgendetwas brauchbares für eine Anpassung“ dabei sein dürfte.

Das Land Brandenburg hat dann festgelegt, dass 2 geschlagene Fledermäuse pro Jahr und WKA akzeptabel seien. Das ist aber kein fachlich festgesetzter, sondern ein politischer Wert, von dem wir nicht wissen, ob er zu hoch ist oder nicht. Die künftig angestrebte Anzahl von ca. 50.000 WKA bedeutet damit einen Verlust von 100.000 Fledermäusen pro Jahr, wobei dann auch ganz bestimmte Arten betroffen sind, und andere nicht (was ja logisch ist und auch auf die Vögel zutrifft).

Aber es gibt ja noch sehr viele Altanlagen, die man durch neue Anlagen ersetzen (repowern) kann. Absurderweise wurden auch hierfür die Hürden sehr hoch gesetzt.

Aus Sicht des Naturschutzes völlig zu Unrecht, da kleine Anlagen deutlich mehr Tiere töten, als große, wobei „klein“ oder „groß“ sich auf die Mastlänge bezieht. Am verträglichsten bezüglich Kollisionen sind Anlagen mit langen Masten und vergleichsweise kurzen Rotoren. Diese sind allerdings bei Anwohnern wiederum sehr unbeliebt, weil man die nun einmal sehr weit sehen kann.

Boris: Es gibt ja auch von Naturschutzverbänden schon länger Bestrebungen, deutschlandweit einheitliche Regelungen zu schaffen, die zudem schon bei der Genehmigung Rechtssicherheit bieten; das verstehe ich aber nicht so, dass Regeln und Gesetze aufgeweicht werden, sondern dass sie konkretisiert werden. Dazu könnte im weiteren Sinne auch Repowering gehören, es könnten die Abstandsregeln zu Gebäuden, Detektionsmaßnahmen und auch die Berücksichtigung des weiteren Habitats dazugehören. Wenn Fledermäuse es in einem intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebiet, in dem ohnehin wenig Insekten/Nahrung vorhanden sind, sowieso schon schwer haben, würde dieses sich dann für zusätzliche Belastung durch WKA verbieten. Als Beispiel: https://www.erneuerbareenergien.de/zentrale-loesung-fuer-konflikt-windkraft-artenschutz

Axel: Aber die einheitlichen Regeln können überhaupt nicht funktionieren, weil das Problem regional sehr unterschiedlich zu bewerten ist. Das ganze Versprechen läuft auf den Populationsansatz hinaus, den ich sogar mittragen würde, wenn er realistisch wäre. Gebt uns Fledermausforschern das Geld, um die Populationen zu erforschen – das würde sehr lange dauern und könnte auch zu einem besseren Ergebnis führen. Das entspricht exakt der Forderung der entsprechenden Windenergieverbände. Es wird nur bedeutend schwieriger, als der recht pragmatisch gewählte Ansatz des Individuenschutzes, der meiner Meinung nach auch besser evaluiert werden müsste. Wir dürfen keine einzige Tierart opfern. Meiner Meinung nach kann man auf intensiv-landwirtschaftlich genutzten Flächen nichts mehr kaputtmachen, was nicht schon kaputt ist. Ich kenne sehr viele Flächen, die als Konzentrationszonen geeignet wären.

Auf Betreiberseite wird das Problem Artenschutz zudem falsch dargestellt:

Es geht nicht darum, dass überhaupt keine Tiere mehr getötet werden;

es geht darum, die Aussage des individuenbezogenen Artenschutzes, dass maximal zwei Tiere pro Anlage und Jahr getötet werden dürfen, eindeutig zu viel ist.

Abschaltungen

Es gibt eine Reihe von Forschungsprojekten, die zu einem Computerprogramm führten, in das wir unsere Daten von Fledermäusen eingeben, die zum Teil in Gondelhöhe einer Windkraftanlage ermittelt werden (mittels Ultraschallmikrofon, welches wir dort installieren), und das dann einen Abschalt-Algorithmus für die Anlagen ausspuckt. Wir können weder wissenschaftlich prüfen, ob man damit tatsächlich eine Anzahl von zwei Schlagopfern garantieren kann noch ob das populationsverträglich ist; deshalb entwickeln wir parallel immer eigene Vorschläge für Abschaltungen. Für die Fledermäuse können die Abschalt-Algorithmen theoretisch helfen. Da ist es dann eher ein Problem, die sehr schmerzlichen Abschaltungen durchzusetzen.

Da ich nun gerade aus der norddeutschen Tiefebene komme, wo ich einen Windpark auf Fledermäuse begutachte: Mir fiel auf, wie viel Platz noch in der windgepeitschten Landschaft ist und wie viele alte Enercon W 66 dort herumstehen, die dringend ersetzt werden müssen. Die W 66 war die erste Anlage, in der ich meine Fledermaustechnik einbaute. Die Gondelhöhe betrug 66 m und kaum eine dieser Anlagen hat einen vogel- oder fledermausfreundlichen Abschalt-Algorithmus. Würde man die gegen „vernünftige“ Anlagen mit 120 m Nabenhöhe oder mehr austauschen, wäre einiges gewonnen. Der Ertrag der alten, 66 m hohen Anlagen ist ein Witz gegen die neuen, großen Anlagen.

Meike: Wie ist denn der Stand zu diesen Abschaltsystemen aktuell? Sind viele WKAs damit ausgestattet oder wird noch erprobt? Das scheint mir eine Super-Sache zu sein.

Axel:

Die Abschaltungen sind bisher nur in einem kleinen Teil der Anlagen eingebaut

– für Vögel ist nicht klar, wie sie funktionieren; die Anlagen können nicht sofort gestoppt werden. Es ist nicht zu vermeiden, dass heikle Anlagen einfach einmal nicht gebaut werden. Zudem gibt es Betreiber, die Abschaltvorschriften ignorieren und auch nicht überprüft werden, weil die Behörden schlafen.

Meike: Okay, also noch nicht ganz ausgereift und noch nicht gesetzlich geregelt.

Thomas: Die Aussage zu den Fledermausabschaltungen wundert mich. Ich dachte die seien mittlerweile Standard bei neuen Anlagen an entsprechenden Standorten, siehe https://energiewende.eu/windkraft-fledermausschlag/#Massnahmen

Axel: Automatisierte Abschaltungen sind in der Erprobung und Abschalt-Algorithmen (die auch ich zusammenbastle) sind bei neuen Anlagen Standard. Aber die Mehrzahl der Anlagen ist eben schon etwas älter. Bei neuen Anlagen gibt es auch in den meisten Bundesländern Standardabschaltungen, z.B. Windgeschwindigkeit unter 6 m/s und Temperatur über 10° C, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Diese Algorithmen treffen aber manchmal auf eine völlig andere Realität.

Die Quelle beschreibt zwar die Situation einigermaßen zutreffend, aber leider ist das Fazit unzulässig. Zudem darf man nicht vergessen, dass immer noch pro Anlage trotz Abschaltungen 2 Tiere pro WKA und Jahr getötet werden dürfen.

Zudem wird außer Acht gelassen, dass es neue Erkenntnisse zu bestimmten Arten gibt, die zwar in Gondelhöhe nicht erfasst werden können, aber dennoch als Schlagopfer gefunden werden. Die Realität ist immer komplizierter als es Werbebroschüren vermuten lassen.

Thomas: Das finde ich super interessant und spannend, was Du schreibst, vielen Dank für die Infos! Folgende Fragen habe ich beim Durchlesen:

Die zwei Tiere pro Anlage sind ja die Obergrenze, nicht der Mittelwert, hoffe ich. Und Fledermäuse fliegen ja nicht überall wo Anlagen stehen. Daher würde ich annehmen, dass man nicht einfach Anzahl Anlagen bundesweit mal 2 rechnen kann, sondern manche Anlagen sind aufgrund ihres Standortes gefährlicher und müssen unbedingt eine Abschaltung haben und andere nicht.

Axel: Na ja, die zwei Tiere sind ja die Obergrenze dessen, was mit Abschaltungen zu erreichen ist. Es gibt Anlagen, die Töten 10 Tiere; auch 30 wurden schon innerhalb eines Jahres gefunden. Der Rekord liegt bei 60 pro WKA in Nordamerika.

Thomas: Nach dem, was ich recherchiert habe, sind die Fledermausabschaltungen nicht teuer für den Betreiber, weil sie zum einen nur zu bestimmten Zeiten der Nacht erfolgen, wenn die Fledermäuse ausschwärmen und zum anderen vor allem bei schwachem Wind erfolgen, weil bei starkem die Fledermäuse eh nicht um die Anlagen fliegen?

Axel: Diese Kosten sind in der Tat in den meisten Fällen nicht besonders hoch. Bei dem, was ich im Offenland (wo ich ja FÜR einen Ausbau eintrete) so ausrechne, sind es meistens zwischen einem und drei Prozent des Ertrages. Dazu kommt aber noch Schlagschattenabschaltung, Vogelabschaltungen, Eisbesatz etc.

Das Problem ist die knappe Finanzierung durch die Banken,

die mit den Abschalt-Algorithmen kippen können. Die beste Lösung wäre, einen Standort vorab zu untersuchen, um eine Grobprognose zum Kollisionsrisiko und damit auch zu Abschaltzeiten abzugeben.

Thomas: Ich finde, wir liegen gar nicht so weit auseinander mit unseren Meinungen. Was ich zentral mitnehme ist folgendes irre Finding:

Aufgrund der von der Politik erzwungenen Regeln können sich die Betreiber Naturschutz nicht leisten.

Zum Beispiel die unsäglichen Ausschreibungsregeln und das EEG-Paradoxon (Strom bringt umso weniger Geld, je mehr davon da ist, und es ist immer dann viel da, wenn die EE viel liefern, bis hin zu negativen Preisen). Die dadurch hervorgerufenen Schäden werden von eben jener Politik wiederum als Argument gegen die EE genutzt. Mission erfüllt, EE tot.

Flächenverbrauch und Windkraft im Wald

Noch eine Frage: Wir lassen den Wildtieren seit Jahrzehnten sowieso viel zu wenig Raum und Futter durch Landnahme für Siedlungen, Straßen und Agrarflächen, von denen letztere vor allem für Tierfutter gebraucht werden und zweitens auch noch für das Insektensterben verantwortlich sind. Ich bin nach allem was ich gelesen habe, ziemlich sicher, dass durch mangelndes Futter und Lebensraum sehr viel mehr Tiere sterben oder gar nicht erst geboren werden, als direkt durch Gewalteinwirkung zu Tode kommen, sei es im Verkehr oder durch Windräder oder sogar durch Fensterscheiben/glatte Flächen, die ja wirklich enorme Vogel- und auch Fledermauskiller sind. Könnte man durch Renaturierungsmaßnahmen, Zurückdrängen der landwirtschaftlichen Nutzung, wissenschaftlich begleiteter Wiederaufforstung, Verbot von Pestiziden, Grünbrücken über Straßen, usw usw (also zusammengefasst für mehr Natur) nicht so sehr viel mehr für die Populationen von Wildtieren tun, als durch Windräder jemals negativ beeinflusst werden können?

Flächenvergleich Windkraft Wald
Flächenbedarf der Windkraft in Deutschland im Vergleich

Hier ist visualisiert, was ich meine. Die Fläche, die durch Windräder belegt ist, ist (sogar wenn man die ausgewiesene und nicht nur die tatsächlich bebaute Fläche nimmt) so sehr viel kleiner als die durch Trockenheit sterbende, durch Energiepflanzen bebaute und durch Siedlungen und Straßen zerstörte Fläche. Warum streiten wir uns überhaupt um die paar km2 Windräder, wenn wir doch viel mehr erreichen könnten, wenn man z.B. die Energiepflanzen abschaffen würde?

Axel: Es wird bisher immer nur gesagt, dass die Landwirtschaft nachhaltiger werden soll etc. Das passiert eigentlich nicht. Natürlich müssen die anderen Nutzungen auch aufhören.

Die Kompensation von Kollisionsopfern mit Naturflächen etc. hat mehrere Aspekte: Zunächst wachsen bei K-Strategen, zu denen auch die Fledermäuse gehören (geringe Nachwuchsrate, hohes Lebensalter – Rekord bei 42 Jahren und Empfindlichkeit gegen Veränderungen der Landschaft) die Populationen auch unter günstigsten Bedingungen sehr langsam. Damit ein genetischer Flaschenhals vermieden wird, müssen die Populationen samt unterschiedlicher Teilpopulationen (die sich durch eine geänderte Genetik unterscheiden, aber immer noch zu einer Art und einer Gesamtpopulation gehören) kontinuierlich angemessen groß bleiben. Das würde für Deinen Ansatz bedeuten, dass man erst die Populationen stützen muss, bevor man einen Teil derselben gegen WKA-Rotoren fliegen lässt (wie gesagt, halte ich auch ethisch für nicht ganz astrein). Zudem können die Teilpopulationen nur durch Schutzmaßnahmen gestützt werden, die in räumlicher Nähe stattfinden, aber auch nicht zu nahe, weil wir die Tiere nicht zu den WKA locken dürfen.

Jeder, der einmal versucht hat für solche Ausgleichs-Maßnahmen Flächen zu bekommen, der weiß auch, dass das eigentlich gar nicht geht

– schließlich haben wir ja immer noch die auf Profit ausgerichtete Wachstumsgesellschaft, ohne die unser Strombedarf eh viel niedriger wäre. Dieselbe Gesellschaft verhindert aber auch die Umgestaltung der Landschaft.

Die derzeitige Situation zeigt, dass wir uns überhaupt keinen Waldverlust mehr leisten sollten (also auch nicht für Straßen, Siedlung etc.). Was mich nur stört, sind die „Trockenverluste“, weil die eben doch fast nur die Fichte trifft. Wenn wir langfristig Flächen mit zu niedrigem Grundwasserstand bekommen, können wir ja dort WKA hineinbauen, auch auf nicht regenerierbaren, intensiv genutzten, landwirtschaftlichen Flächen. Die Fläche spielt eigentlich die geringste Rolle – es sind die anderen Wirkungen, die von den Anlagen ausgehen. Würden wir nur nach Fläche gehen, wäre das wirklich egal.

Andererseits benötigen Fledermäuse gar nicht unbedingt naturnahe Verhältnisse sondern viele Insekten, die sie zeitweise selbst auf Maisäckern und in wirklich öden Kiefernbeständen jagen.

Thomas: Ist Windkraft im Offenland im Wesentlichen unproblematisch und im Wald (was zählt als Wald?) dagegen nicht mitigierbar und schädlich, so dass man sagen kann: „Keine Windkraft im Wald“, oder ist das doch eine pauschale Verkürzung, weil die Probleme zwar größer (evtl. Schädigung angrenzender Bäume, mehr Tiere), aber nicht grundsätzlich anders sind? Zum Beispiel habe ich gelesen, dass der Rotmilan zwar in Bäumen brütet, aber im Offenland jagt, weil er unter den Bäumen seine Beute gar nicht sieht.

Axel: Was die Kollisionswahrscheinlichkeit anbelangt, hier gibt es in Wäldern einfach noch keine belastenden Ergebnisse, da das Risiko erheblich schwerer zu ermitteln ist. Eine Schlagopfersuche im Wald ist extrem problematisch. Ein Problem ist, dass über den Baumwipfeln vieles passiert, was wir noch gar nicht genau wissen. Sicher ist eben, dass sich dort sehr viele Beuteinsekten aufhalten und die Rotoren sehr weit an die Wipfelhöhe (also eine Oberfläche, die sehr stark zur Nahrungssuche genutzt wird) heranreichen. Es gibt diesbezüglich eine Menge Fragezeichen; ob der Rotmilan beim Beuteflug rund um den Neststandort geschlagen wird, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht genau – aber es gibt ja auch noch andere Arten. Derzeit gibt es strikte Abstandsregeln, zu Rotmilan-Horsten, die ja durch das von mir beschriebene Ausnahmeverfahren nach §45 Bundesnaturschutzgesetz aufgehoben werden sollen. Das Problem dabei ist nicht zuletzt, dass der dann erforderliche Schutz durch populationsstützende Maßnahmen nicht klar definiert ist. Hier muss es zunächst exakte Aussagen dazu geben, wie am Ende erreicht werden kann, dass keine Wirkung auf die Population stattfindet, was man derzeit einfach gar nicht kann. Vieles ist eben so leicht dahingesagt.

In Wäldern kommen Effekte hinzu, die ebenfalls kaum zu beziffern sind: Die Beseitigung vorhandener Quartiere sehr seltener Arten, die Verdrängung aus Jagdlebensräumen durch Lärm und die Wirkung der Kranstellflächen auf benachbarte Waldflächen (Sonnenbrand bei Buchen, veränderter Wasserhaushalt des Gesamtbestandes, Schaffung von Ausbreitungspfaden für gebietsfremde Arten entlang der Zuwegungen, etc.).

Im Offenland lassen sich fast alle Probleme sehr viel leichter in den Griff bekommen. Zudem ist der Wind in der Regel auch viel berechenbarer, als im Süden der Republik, wo übrigens immer noch unsinnige Abstandsregeln zur Wohnbebauung existieren (Negativbeispiel: Bayern).

Meike: Die Windräder müssten einfach nur näher an den Menschen, an Ortschaften/Städte, auf Ackerland gebaut werden, wo sich eh weniger Getier aufhält. Und Offshore.

Thomas: Offshore reicht nicht, zu wenig Potenzial vor der deutschen Küste. Und wieder das Problem mit dem Stromtransport. Richtig ist, dass Abstandsregeln viel zu viele Standorte verhindern. Aber richtig ist auch, dass gerade in Mittelgebirgen der Wind oben viel stärker ist als unten und Orte immer unten sind und ringsum Wald.

Der Ertrag von Windrädern steigt mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit.

Axel: Die Windgeschwindigkeit steigt natürlich mit zunehmender Höhe. Leider werden gerade wieder WKA mit kurzen Türmen und längeren Rotoren propagiert, weil die eher akzeptiert werden, als die 150 m Türme. Je kürzer der Turm, desto näher schrappen die Rotoren in Bodennähe herum, was wieder zu mehr Tierverlusten führt.

Thomas: Ist eigentlich eine Wiederaufforstung der Kranstellfläche nicht möglich (entgegen aller Evidenz bei alten Anlagen)? Sind Zufahrtswege so viel anders als Waldwege, die aus anderen Gründen gebaut werden oder wurden, z.B. Holzabfuhr?

Reagieren alle Baumarten gleichermaßen negativ auf zusätzliche Sonnenexposition? Meiner naiven Erfahrung nach sind solitäre Bäume oder solche am Waldrand meist größer und haben mehr Laub, weil sie mehr Licht bekommen.

Axel: Es gibt eindeutig Auswirkungen von Lärm auf die Tierwelt, die WKA Standorte als Nahrungsraum entwertet. Der Effekt ist nicht genau zu beziffern.

Tatsächlich sind „innere Waldränder“, wie sie zum Beispiel auch durch Windwurf etc. passieren, kein Problem sondern eine Bereicherung der Waldstruktur – aber nur dann, wenn die Wälder ausreichend groß sind und sich in einem naturnahen Zustand befinden. Das sind aber exakt auch die Standorte, die wir auf keinen Fall wollen. Die großen, alten Bäume, welche am Waldrand wachsen, sind deshalb groß und wuchtig, weil die von vornherein dort aufwuchsen. Wird aber plötzlich die Struktur geändert, ist die Sache völlig anders. Sonnenbrand bei freigestellten Buchen ist deshalb auch ein Problem in Kahlschlägen.

Die Kranstellfläche ließe sich zwar aufforsten, aber der Waldboden ist dort für die nächsten, mehrere Hundert Jahre zerstört – der komplette Haushalt und das Bodengefüge erledigt. Eine „wieder aufgeforstete“ Verdichtungsstelle ist kein naturnaher Wald mehr und wird es wohl so schnell auch nicht wieder werden. Die Zufahrtswege zur Holzabfuhr sind ebenfalls ein Problem.

Da der Wald derzeit vor allem durch falsche Bewirtschaftung in einem extrem kritischen Zustand ist, dürfte eigentlich kein Waldstandort noch weiter entwertet werden. Wir plündern unsere Wälder gerade wirklich übel aus (40% unseres Holzes geht nämlich gerade in den Export nach China und Nordamerika), und der Ausbau von WKA in Wäldern kann dadurch nicht relativiert werden, sondern er ist ein weiterer Faktor, der die Zeit unserer Wälder in Deutschland beendet, wenn wir nicht sehr konsequent entgegensteuern. Wäre es möglich, den Ausbau mit einer ganz klaren Grenze zu versehen und

würde man gleichzeitig die Hälfte der Wälder als strenge Schutzgebiete sich selbst überlassen, würden viele Ökologen sogar zustimmen.

Ich wäre ein großer Freund von Energiewäldern in Form von extrem schnell wachsenden Holzplantagen auf ehemaligen Futterflächen für die Landwirtschaft, wo man die Umtriebszeiten enorm kurz halten könnte. Dort dürfte man auch WKA hineinstellen – möglichst viele sogar. Holzertrag und Windertrag wären recht konfliktfrei zu ernten.

Energiewende-Gegner

Thomas: Ich finde die bisherige Konversation sehr spannend, ich habe schon viel gelernt und hoffe, Du hast auch ein bisschen mitbekommen von den politischen Kämpfen, die für die Energiewende in jeglicher Form leider ausgefochten werden müssen – Windkraft im Wald ist da nur der kleinere und man kann sagen der neuere Teil –

nachdem den radikalen Energiewende-Gegnern so ziemlich alle anderen Argumente gegen WEA abhandengekommen sind (zuletzt der Infraschall), konzentrieren sich deren Bemühungen noch stärker auf den Artenschutz

– und hier den Unterschied zu sehen zwischen politisch motiviertem „Knüppel-zwischen-die-Beine“ von Klimawandelleugnern und tatsächlichen Problemen ist sehr schwierig. Die Naturschutzinitiative e.V. z.B., für oder bei der Glaubrecht vorgetragen hat, demonstriert auch gegen Freiflächen-PV unter dem Namen des Artenschutzes und hat einen ganz klaren Klimawandelleugner als Vorsitzenden. [Quelle].

Wie ich oben schon schrieb, die politischen Vorgaben machen es den Betreibern extrem schwer und fast unbezahlbar, Artenschutz zu berücksichtigen und man muss sich nicht wundern, wenn die Firmen immer größer und professioneller werden, denn als Normalbürger in Wind zu investieren, ist inzwischen leicht ein Totalverlust, davon lässt man besser die Finger. Aber so kommen wir nicht weiter – es muss möglich sein, Bürger, EE und Artenschutz zusammenzuführen, denn wir brauchen alles drei. Wenn wir bei 2,5° landen, weiß ich nicht, ob es dann noch Fledermäuse geben kann, aber ich habe verstanden, wie nötig und schwierig es ist, bestehende Populationen bestmöglich zu schützen, sonst gibt es die auch nicht mehr, wenn wir bei „nur“ 1,5° landen.

Axel: Aber eine Goldgrube ist Windkraft immer noch. Nun leider nur noch für die Großen. Ganz kurz zu der Frage, ob die Fledermäuse eine 2,5° höhere Temperatur überleben würden (ich antworte mal schnell, weil sich das vergleichsweise gut beantworten lässt). Fledermäuse sind eher Tiere, die hohe Temperaturen bevorzugen, weshalb die Artendichte vom Äquator zu den Polen rapide abnimmt. Bei uns in Deutschland existieren ca. 25 Arten. Tropische Länder weisen eine vielfach höhere Artenzahl auf. Vermutlich würden einige Arten von einem Klimawandel profitieren, sofern noch genügend geeignete Habitate vorhanden sind. Da die Arten recht mobil sind, würde ein Ausweichen in kühlere Weltklimata relativ gut funktionieren. Einige Arten mit speziellen Anpassungen würden vermutlich aussterben – andere könnten aber auch eine Arealerweiterung erfahren. Die Fledermäuse sind eine uralte zoologische Ordnung, welche bereits einige krasse Klimaveränderungen überlebt hat – teils einfach nur in kleinen Refugialräumen.

Trotzdem stimme ich zu, dass der Klimawandel gigantische Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben wird. Das ist nicht zu bestreiten.

Thomas: Fledermäuse sind hierbei nur ein Beispiel über das wir speziell gesprochen haben, das gilt natürlich für alle Arten. Ich würde mir wünschen, dass es neben den Ausbau-Plänen für EE, die möglichst verträglich und im Einzelfall geprüft erfolgen müssen, und trotzdem bezahlbar bleiben müssen, es auch groß gedachte Pläne zum Artenschutz gibt, und beides wissenschaftlich begleitet und am besten steuerfinanziert.

Axel: Mir scheint aber eher, dass die Probleme mit den Kosten hausgemacht sind. Der Boom vor einigen Jahren war darauf zurückzuführen, dass die Zeit der EEG-Zulage vorbei war.

Das Ausschreibungsverfahren, welches derzeit läuft ist Murks;

war auch m.E. so geplant, da man sich bis vor kurzer Zeit nicht beliebt bei konservativen Wählern gemacht hat.

Thomas: Klar sind die hausgemacht – mit Absicht von der CDU, um die Kohle zu schützen. Das ist immer der Konflikt, den wir sehen – was die Kohle und das Öl für Schäden anrichten, direkt und indirekt, ist so sehr viel mehr als die Schäden durch EE, wie man es auch dreht. Über die Alternative „Einsparung“ können und sollen wir irgendwann später auch noch sprechen, jetzt nur so viel:

Dieselben Kräfte, welche die EE zu verhindern suchen, sind dieselben, die auch wirksamen Artenschutz verhindern (z.B. Agrarpolitik) und es sind dieselben, die beim Gedanken von Einsparungen „Verbotspartei!“ schreien. 

Deswegen klingt es für uns so zynisch, wenn jemand Artenschutz und Verzicht in einem Satz benutzt.

Hier ist einer unserer Artikel zum EEG, in dem diese Entwicklung knapp zusammengefasst ist, und der meine Behauptung „die CDU ist schuld“ illustriert: https://energiewende.eu/zwanzig-jahre-energiewende-die-geschichte-des-eeg/

Boris: Tatsache ist, dass es zu vielen Klagen gegen WKA wegen des Artenschutzes kommt (durchaus mit Erfolg) und das den ganzen Prozess der Energiewende verzögert. Tatsache scheint auch zu sein, dass der Artenschutz von Klimaleugnern, AKW-Befürwortern, Gegnern erneuerbarer Energien, instrumentalisiert wird. Letzteres der Grund, warum Befürworter der WKA auf das Thema „Wald und Windkraft“ so allergisch reagieren. Denn auch wenn man im Sinne der Fledermäuse eine Regelung findet, würden im Offenland die Auseinandersetzungen um WKA und Vögel weitergehen.

Axel:

Ja, der Artenschutz wird instrumentalisiert!

Keine Frage, dass das stimmt. Der Artenschutz müsste ganz anders geregelt werden; was am Ende gar nicht mal so teuer sein müsste. Zum Nulltarif ist er aber auch nicht zu haben, und der Biodiversitätsverlust ist insgesamt vollkommen dazu geeignet, uns ebenso wie der Klimawandel auszulöschen. 

Konsum und Einsparungen

Axel: Jetzt stehen wir am Scheideweg – und das ist auch genau der Unterschied zwischen uns: Wir haben eine Situation, in der bereits die CO2 Menge, welche sich in der Atmosphäre befindet, ausreicht, um eine Katastrophe zu verursachen – egal, was wir machen. Nichts tun ist keine Option; leicht einsehbar. Aber was, wenn wir allen Strom grün produzieren, und unsere Wachstumsgesellschaft exakt so weiterlaufen lassen, wie sie ist. Wir werden also weiterhin zum Konsum aufgefordert, damit unsere Wirtschaft überlebt. Ohne Wachstum wird es kein Sozialsystem geben, wird es keine Bildung geben, wird es keinen Fortschritt geben. Nun müssen wir den Strombedarf der Zukunft ermitteln und die grüne Energie dafür entwickeln (da bin ich vollkommen auf Eurer Seite). Nur haben wir die Wahl, eine Transformation zu schaffen, wobei wir definitiv einen sehr viel geringeren Strombedarf hätten, oder wir produzieren den Strom für das mehr Konsumieren und mehr Technik und am Ende den garantierten Kollaps, weil unser Leben nicht nachhaltig ist (und unfair noch dazu, weil wir fast alle Rohstoffe aus den armen Ländern beziehen). Ich halte übrigens viel von „Verbotsparteien“ ich denke es wird nicht über die reine Lehre des Neoliberalismus funktionieren – auch keine Transformation.

Thomas: Ich glaube, wir gehen eigentlich sehr konform. Wie gesagt finde ich, dass der Artenschutz genauso wie der Klimaschutz Staatsziel sein muss, ordnungspolitisch priorisiert und steuerfinanziert bzw. zumindest unterstützt. Zum Konsum: Ich bin ziemlich sicher, dass so ziemlich alle, die sich in der EEW-Gruppe tummeln, auch gleichzeitig Konsumkritiker sind, ich selbst gehöre auch dazu. Aber es ist in der Theorie einfacher zu sagen, man muss weniger Ressourcen nutzen als das in der Praxis umzusetzen (wie kommst Du z.B. zu Deinen ganzen Fledermaushorchstationen? Wahrscheinlich nicht zu Fuß.) – und ohne Angebote ist es unmöglich – und dafür, diese Angebote zu schaffen, muss es eine Motivation geben, und die ist am Ende immer auch persönlich und bei ganz ganz vielen Menschen nicht altruistisch. Daher müssen wir diese Motivationen als Gesellschaft politisch schaffen.

Es muss also ein Wachstum geben, denn Menschen wollen wachsen – aber über die Richtung dieses Wachstums muss man sich dringend Gedanken machen, und das passiert auch mehr und mehr. Ein Wachstum der Natur z.B., ein Wachstum an Zeit, ein Wachstum an Kultur, ein Wachstum an Wissen und Erkenntnis, ein Wachstum an Frieden und Zufriedenheit – die Motivation der Menschen dorthin umzulenken, ist das wichtigste politische Ziel, denn dann folgt alles andere von alleine.

Und noch ein drittes: Die grüne Transformation, sprich

die Elektrifizierung aller Bereiche und Nutzung erneuerbarer Energien reduziert automatisch den Primärenergiebedarf massiv durch die wahnsinnigen Effizienzgewinne.

Alleine dadurch sparen wir mehr Energie ein, als wir durch den Verzicht auf (ja, was eigentlich konkret, was nicht die Klimaschützer eh fordern?) je könnte. Zu den Forderungen, die die Klimaschützer diesbezüglich haben: Fast kein Fleisch mehr, insgesamt viel weniger tierische Produkte, cradle-to-cradle für alle Produkte. Das alles umgesetzt, braucht man eigentlich nicht auf irgendwas zu verzichten und benutzt trotzdem nur noch einen Bruchteil an Ressourcen.

Boris: Grundsätzlich sind erneuerbare Energien bereits hervorragende Energiesparer. Kernkraft und fossile Energie erreichen bei 14% ein physikalisches Optimum an Energieeffizienz, durch Verluste durch Umwandlungsprozesse und Bereitstellungsmaßnahmen. Erneuerbare Energien erreichen dagegen einen Wirkungsgrad von 60%. [https://www.garrisoninstitute.org/downloads/ecology/cmb/Laitner_Long-Term_E_E_Potential.pdf]

Am Beispiel E-Auto: das Windrad erzeugt Strom, der ins Netz eingespeist wird, der das E-Auto lädt und dann antreibt. Um 6 Liter Diesel zu erzeugen und zur Tankstelle zu transportieren, werden 42 kWh Energie benötigt. Damit kann ein E-Auto bereits 200 km fahren. [https://www.springerprofessional.de/elektromobilitaet/dieselmotor/endenergiebezogene-analyse-diesel-versus-elektromobilitaet/16673694]

Axel: Ja, das stimmt; das wäre eine Frage der Definition, was Wachstum ist. Es wäre auch eine Frage, was wir uns künftig noch leisten können und was absolut hintenüber fällt. So ist das Bewohnen immer größerer Wohnungen, die immer mehr Energie für den Bau benötigen, immer mehr Rohstoffe verschlingen und (selbst wenn es Null-Energie-Häuser sind) viel zu viel Platz verbrauchen, den wir einfach nicht haben, einfach nicht mehr möglich. Die Branche mit dem höchsten Energiebedarf ist die Baubranche. Die gängige Praxis der Modernisierung von Städten ist der Abriss von Bestandsgebäuden und der extrem energieaufwendige Neubau. Was auch ich nicht wusste: Es gibt fast keine vorhandenen Gebäude, die man nicht wunderbar als Wohnhaus oder für andere Nutzungen sanieren und umgestalten könnte. Der Energiebedarf der Bauindustrie würde sofort drastisch sinken, würde man die Praxis per Gesetz ändern, und den Gebäudeabriss unattraktiv machen. Darüber hinaus sollte man auf Straßenneubau verzichten und die Größe von Autos (auch von E-Autos) begrenzen. Auf Dauer kommen wir aber auch nicht um eine Transformation zu einer Post-Wachstumsgesellschaft herum.

Thomas: Stimmt, bauliche Verdichtung ist auch eine Forderung der Klimaschützer. Du hast bestimmt den Aufschrei zum falsch zitierten Interview mit Hofreiter zu den Einfamilienhäusern mitbekommen. Außerdem: Welche Baustoffe verwenden wir, können wir uns Stahl und Beton noch leisten? Wären nicht Hanfziegel und Holz besser? Womit wir natürlich wieder den Artenschutz berühren, denn das muss ja irgendwo wachsen. Es ist ein ewiger Konflikt, und ich wünsche mir, dass wissenschaftliche Lösungen gefunden werden.

Axel: Ja – wissenschaftliche Lösungen sind gut; aber manchmal kommen wir nicht umhin, einfach eine Entscheidung aus dem Herzen zu treffen, weil die Wissenschaft nicht für alles eine Antwort hat.

Thomas: Für sich persönlich kann man immer die eine oder andere Entscheidung aus dem Herzen treffen, sonst wäre es unnatürlich. Aber nicht bei den Fragen wo ein Windrad hinkommt, wie wir die Natur schützen, mit was wir bauen, wie wir unsere Energie erzeugen und welche Verkehrsmittel wir fördern. Denn das passiert gerade – diese Entscheidungen werden aktuell von neoliberalen Wissenschaftsignoranten oder sogar -leugnern für uns und die folgenden Generationen getroffen.

Axel: Die Wissenschaft kann aber nicht die Frage beantworten, wie wir leben wollen. Das ist eine emotionale Entscheidung. Die Wissenschaft muss den Preis für die Abzweige nennen. Die Politik reagiert darauf: Wenn es unter den Menschen Konsens ist, dass es wichtiger ist, den Konsum für die nächsten anderthalb Generationen zu sichern, als langfristig für den Planeten zu sichern, ist das eine Entscheidung, die auch wir akzeptieren oder zumindest schlucken müssten. Und wo ein Standort für ein Windrad ist, kann auch eine emotionale Entscheidung sein; ich finde in Norddeutschland, wo die meisten Anlagen stehen, den ein- oder anderen Standort unpassend und gefährde mit dieser Ansicht nicht „die Energiewende“. Das hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Zudem ist mein ganz großes Hobby das Erkennen von Dilemmata – das Pro- und Contra über WKA im Wald kann man nicht nur mit wissenschaftlichen Antworten lösen, weil die je nach Wissenschaft unterschiedlich ausfallen.

Thomas: Oh doch, die Wissenschaft kann beantworten, wie wir leben wollen und das hat sie längst. Das aktuelle System ist keine freie Wahl „der Menschen“ – es ist ein Pervertierung des persönlichen Strebens nach Glück durch einige wenige Neoliberale, die es geschafft haben, ihr Denken der ganzen westlichen Welt überzustülpen, wenn Du dich mit der Mont Pelerin Society beschäftigt hast, weißt Du was ich meine. Das ist auch gar keine Verschwörungstheorie, auch wenn es so klingt, das kann man alles bei Wikipedia nachlesen. Jedenfalls weiß die Wissenschaft und auch der Volksmund schon lange, dass Geld alleine nicht glücklich macht.

Ich möchte noch was zum Konsum sagen, denn der Punkt ist mir wichtig in der ganzen Diskussion, vielleicht der wichtigste: Gibt es eine seriöse Studie, die berechnet, welchen Konsum man konkret weglassen kann und wie viel TWh (Terawattstunden) Energie dadurch eingespart werden können? Und als zweiten Schritt (um Boris Erfahrungen aufzugreifen): Wie man genügend Menschen oder das Wirtschaftssystem schnell genug (!) dazu bringen will, auf diesen Konsum zu verzichten?

Denn wir brauchen auch im Süden WEA, weil wir mit Sonne und Speichern alleine den Bedarf im Winter nicht decken können, und um die Stromtrassen ebenfalls ein Streit tobt. Ich möchte dazu noch auf folgende Studie verweisen, die von extrem niedrigem Zubau ausgeht, und trotzdem 22 GW in B-W und Bayern fordert (von denen aber natürlich nicht alles Wald ist):  https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.816979.de/diwkompakt_2021-167.pdf

Axel: Da fehlt dann aber immer noch die Benennung möglicher Alternativen außerhalb der Wälder.

Thomas: Die möglichen Alternativen sind Sonne und Batteriespeicher. Für Sonne braucht man noch mehr Platz, wenn auch nicht im Wald. Aber wie gesagt im Winter wird das knapp.

Axel: Das mit den Stromtrassen ist ja auch so eine Sache. Natürlich kommen wir langfristig nicht ohne aus – es sei denn, wir arbeiten komplett dezentral, was m.E. gar nicht übel wäre. Dann könnten wir aber die 200 m Anlagen durch Kleinwindanlagen ersetzen, die sehr viel unschädlicher sind.

Thomas: Bei Kleinwindanlagen ist das Verhältnis von Materialeinsatz und Ertrag dermaßen schlecht, dass diese keine echte Alternative darstellen, schon gar nicht im Süden, wo man hoch hinaus muss, um entsprechend Wind zu haben. [https://www.youtube.com/watch?v=nGvk1_xlFeE]

Axel: Es gibt auch noch Energiewälder, Biomasse (mit Blumen statt Mais), Wasserkraft (natürlich auch schonend konzipiert), etc. Und ohne Speicher geht es eh nicht – daran wird aber gearbeitet und auch da werden die Ökologen wieder herausgefordert, manche unverdauliche Kröte zu schlucken.

Boris: Es ist immer das kleinere Übel. Was hier die toten Fledermäuse, sind anderswo sterbende Eisbären, Orang-Utans usw. Ich lese gerade ein Buch über Indigene im Amazonas. So -im Einklang mit der Natur-  leben wir nicht mehr.

Axel: Die „Fledermäuse“ sind kleiner und nicht so charismatisch wie die Eisbären oder die Orang-Utans (die letztendlich nicht durch den Klimawandel sterben), sie sind aber genauso wichtig. Und wie soll ich als Deutschland für einen weltweiten Schutz der Biosphäre und der Arten eintreten, wenn ich unsere Fledermäuse oder den Rotmilan (von dem > 50% des weltweiten Bestandes in Deutschland brütet) opfere?

Boris: Ich wollte auch nicht Fledermäuse gegen Eisbären aufrechnen. Nur durch Ölkatastrophen und Ölverschmutzung, Rodung im Amazonas sterben eben auch Tiere oder verlieren ihren Lebensraum. Nur nicht so sichtbar. Aber auch in Teilen, schon lange, unsere Verantwortung.

Die Orang-Utans habe ich erwähnt wegen der Palmölnutzung in Deutschland: „Der Palmölanteil an den „erneuerbaren Energien“ beträgt weltweit ca. 5%. In Deutschland dagegen sind es mittlerweile 41% und damit mehr als in allen anderen Bereichen. Circa 10% entfallen davon auf Blockheizkraftwerke, mit denen Strom und Wärme erzeugt werden. Die übrigen 90% werden für die Beimischung zum Fahrzeugkraftstoff (Agrosprit, auch Biodiesel genannt) verwendet. In der EU betrug 2012 der Anteil von Palmfett am Agrosprit etwa 20%, zu diesem Zeitpunkt (2012) mit steigender Tendenz.“

Axel: Zum Verzicht möchte ich auch noch etwas sagen: Wir besitzen im Schnitt pro Person (oder Haushalt – ich muss noch einmal nachsehen) ca. 10 000 Gegenstände, von denen wir aber die Hälfte nicht einmal ansehen.

Wir sind gezwungen zu konsumieren, weil die Wirtschaft sonst komplett kollabiert.

Das kostet nicht nur Unmengen an Energie, es kostet auch Rohstoffe. Ich halte es da mit Maja Göpel: Man muss lernen, dass der Verzicht auf Dinge, die unser Leben verkomplizieren kein Verzicht, sondern ein Gewinn ist. Ich denke wir halten einfach die falschen Dinge für wichtig und müssen einen kleinen Rückschritt machen, wenn wir eine Chance haben wollen, unseren Kindern eine vernünftig lesbare Welt zu hinterlassen.

Thomas: Ich denke, die neoliberale Wirtschaft ist sehr gut darin, den Menschen Bedarf zu suggerieren, wo sie keinen haben, und Dinge zu produzieren, die den Kauf weiterer Dinge nach sich ziehen. Aber das sind keine Naturgesetze, das sind Menschen, die im bestehenden System Geld verdienen wollen und müssen und dazu andere Menschen manipulieren.

Axel: Der letzte Abschnitt findet meine absolute Zustimmung – hätte von mir geschrieben sein können. Aber leider (oder zum Glück) ist das System am Ende – der Club of Rome hat es bereits in den 70ern festgestellt. Ich beneide nicht diejenigen, die das System auf „Überleben“ umstellen müssen.

Noch eine kleine Sache, die mir ein wenig dämmert; es gibt ja neben den Fakten auch noch eine kulturelle Ebene: Im äußersten Nordwesten der Republik, dem ehemals sehr schönen Ostfriesland gibt es so gut wie keine Flächen mehr, auf denen keine WKA stehen. Die WKA drehen sich, blinken nachts, machen Lärm und verhindern den ehemals ungetrübten Blick über das weite Land. Viele Menschen, die dort wohnen, wissen, dass sie diesen Preis zahlen müssen und akzeptieren das auch. Es bleibt aber ein unbehagliches Gefühl, ein Stück seiner Heimat geopfert zu haben.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei einem massiven Ausbau der Windkraft in Süd- und Ostdeutschland die Akzeptanz in der Bevölkerung weiterschwinden wird, was natürlich Vereine wie „Vernunftkraft“ und die AfD anheizen werden. Daher muss man diskutieren, dass das der Preis dafür ist, dass wir weiterhin zwei bis dreimal pro Jahr in den Urlaub fliegen, aberwitzig energieverbrauchende Flachbildfernseher, überbordende, lichtverschmutzende Beleuchtung in Innenstädten, unnütze Produktion von unnützen Gegenständen haben wollen. Vielleicht kann man, wenn man Ursache und Wirkung für alles gut darstellen kann, auch ein breiteres Umdenken der Menschen bewirken.

Ich habe ab Montag ein Projekt im Biosphärenreservat an der Elbe gehabt, wo ich in einer Gemeinde unterwegs war, in der eine Brücke über die Elbe gebaut werden soll. Bislang gibt es dort eine Fähre. Für mich Naturliebhaber ist das Gebiet ein Paradies; nachts hört man an jeder Ecke Kraniche und Nachtigallen. Beim Fledermäuse beobachten wird man wiederum von Bibern beobachtet: Der Ort befindet sich in einem Dornröschenschlaf – ganz wunderbar. Nun soll für die „Entwicklung“ eine Brücke dort gebaut werden. Der Eingriff wird die Landschaft und das Naturidyll sehr stark beeinträchtigen. Ich bin neben allen Dingen, die hier gesagt wurden, wirklich sehr dafür, den Menschen klar zu machen, dass es letztendlich immer unser Konsumverhalten ist, welches Natur zerstört – egal ob für die Energieproduktion oder für die Ausbeutung von Rohstoffen oder für unsere Ansprüche bezüglich einer „störungsfreien“ Mobilität. Eine Fähre, an der man im Schnitt 10 Minuten warten muss und eine Gebühr von 4 Euro entrichten muss, stört da natürlich. Es muss aber Orte geben, die von der Konsumwelt einfach vergessen werden; wo es keine technischen Bauwerke gibt und die einfach nur sich selbst genügen; sonst wird die Menschheit irgendwann komplett verrückt.

Thomas: Ich möchte mich mal an einer Zusammenfassung des bisher Diskutierten versuchen: Ich habe verstanden, dass Tierpopulationen jetzt geschützt werden müssen, um sie hinüber zu retten in die von uns allen hier angestrebte Zeit, in der die Natur wieder genug Raum hat. Es läuft wohl darauf hinaus, dass es eine Gesamtproblematik mit dem Wald in Deutschland (wahrscheinlich in der ganzen Welt) gibt. Die aktuelle Situation ist so dramatisch, dass sich eigentlich jede weitere Verschlechterung verbietet, die Windräder sind so eine Verschlechterung. Auf der anderen Seite gäbe es Maßnahmen, diese Situation zu verbessern, so dass Windräder in nicht naturnahen Wäldern tolerierbar wären. Die Aussage „Keine Windkraft im Wald“ wäre also zu ergänzen durch „so lange es dem Wald so schlecht geht wie jetzt“. Ich denke, das ist eine Aussage, auf die man sich verständigen kann – denn sie eröffnet Handlungsoptionen (in der Tat ist Waldschutz per se ein Teil der Agenda auch von den Grünen und den Klimaschützern) und suggeriert nicht ein alternativloses „Dagegen“. Wie ich schon eingangs sagte, mir geht es immer um Abwägung – wie groß ist der Effekt welcher Maßnahme, wie groß der Schaden im Vergleich mit anderen Optionen. Das mag technokratisch und emotionslos erscheinen, aber es wurde zu lange Politik nur mit Emotionen gemacht und ohne auf die Wissenschaft zu hören und das hat uns dorthin gebracht, wo wir heute sind.

Dass wir unseren Überkonsum einschränken müssen ist ja ebenfalls eine Forderung zumindest der Klimaschützer, ob dadurch jedoch Windkraft im Süden Deutschlands überflüssig würde, wäre interessant zu berechnen. Immerhin hat die Corona-Krise sowohl den Flugverkehr als auch den Konsum insgesamt einbrechen lassen, mit überschaubarem Effekt auf den CO2-Ausstoß. Energie dezentral zu erzeugen und auf verschiedene Quellen zu setzen, erhöht jedenfalls die Resilienz gegen Ausfälle, und darüber hinaus ist es ungerecht, wenn einige Landstriche in Deutschland die ganze Last tragen müssen und andere nicht. In jedem Fall bin ich ganz bei Dir mit den Forderungen: Zuerst mal sollten die Anlagen näher zu den Menschen, bevor sie näher zu den Tieren gehen und zweitens sollte jeder Standort genau auf mögliche Schäden untersucht werden (was meines Wissens sowieso erfolgt). Drittens sollte das gesamte Vergütungssystem für Energie von den Pervertierungen der letzte 10 Jahre befreit bzw. grundlegend reformiert werden, so dass Naturschutzmaßnahmen für die Betreiber bezahlbar werden.

Axel: Da sind wir auf einem interessanten Weg, den es sich weiter zu verfolgen gilt. Mal ganz kurz zu den ökologischen Untersuchungen: Da das Ländersache ist, sind in einigen Bundesländern die Untersuchungen zu tief, in anderen zu flach. Da besteht ein Bedarf an einer Verbesserung der Methodik. Leider werden auch sinnvolle Untersuchungen als „bürokratische Drangsalierung“ in Misskredit gebracht.

Mein Fazit bisher: Wir benötigen dringend eine Energiewende

– über den genauen Weg müssen wir noch reden; man muss sofort damit anfangen, was unkritisch ist, umzusetzen, wozu auch alle Energiesparmöglichkeiten zu nennen wären, die ohne Kollaps des Wirtschaftssystems möglich sind (hier sollten wir uns mehr Gedanken machen). Auf lange Sicht ist die Energiewende so auszutarieren, dass die Konflikte zwischen Naturschutz und Klimaschutz sowie den gesellschaftlichen Ansprüchen aufgelöst werden, ohne die Ziele aufzugeben. Ein dickes Brett, was wir bohren müssen.

Meike: Ich mag eine Träumerin sein, aber ich hoffe echt auf einen Spiritwechsel in der Politik. Ich hoffe auf klare und deutliche Ansagen an die Bevölkerung in Bezug auf Wasser- und Energieverbrauch. In Bezug auf Konsum. Dass ein Zurückschrauben, Minimalismus nicht vermeidbar ist, wenn wir den Planeten möglichst lange erhalten wollen. Sowas muss in aller Härte kommuniziert werden, immer und immer wieder, damit es alle erreicht.

Arten- und Klimakrise

Boris: Kommen wir nochmal zum Vergleich von Arten- und Klimakrise zurück. Eine zentrale Aussage von Pro Wald und Dir ist „Die Klimakrise ist die kleinere Katastrophe“ [https://www.pro-wald.org/matthias-glaubrecht-teil-2-windkraftanlagen-im-wald-oder-walderhalt-beides-geht-nicht]. Glaubrechts Aussage ist ähnlich [https://www.pro-wald.org/waldwissen/evolutionsbiologe-matthias-glaubrecht-zum-artensterben-im-vergleich-zur-biodiversitaetskrise-ist-die-klimakrise-ist-die-kleinere-katastrophe]. Gibt es weitere Wissenschaftler, die eine solch eindeutige Priorisierung des Artenschutzes vor dem Klimaschutz vornehmen? Gibt es wissenschaftliche Studien, die diese Aussage stützen?

Die Person Glaubrecht, der „Kronzeuge“ von Pro Wald, ist für mich zumindest fragwürdig. Es gibt wenig Hintergrundinformation. Die Tatsache, dass er bei der Naturschutzinitiative aufgetreten ist, die ein genereller Gegner der Windkraft, ein Gegner der Grünen und in Teilen Klimaleugner ist [https://naturschutz-initiative.de/pressemitteilungen/30-archiv-pressemitteilungen/65-pressemitteilung-2/], geben mir zumindest zu denken. Glaubrecht reproduziert zudem das Narrativ der „Überbevölkerung“, da reagiere ich allergisch. Ursache für Kinderreichtum sind hohe Kindersterblichkeit, schlechte medizinische Versorgung, Mangel an Bildung, fehlende Sozialsysteme. Mit einem Wort: Armut. Darin die Ursache für den Zustand des Planeten zu sehen, heißt die Opfer zu Tätern zu machen. Wir könnten jetzt schon problemlos 12 Mrd. Menschen ernähren. [https://www.heise.de/tp/features/Der-Mythos-der-Ueberbevoelkerung-3398821.html]

Insofern reicht mir Glaubrecht nicht als wissenschaftliche Quelle, für das Narrativ von Pro Wald „Die Klimakrise ist die kleinere Katastrophe“. Für mich sind beides Katastrophen und beides hängt untrennbar zusammen.

Axel: Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich behauptet habe, die Klimakrise sei die „kleinere Krise“. Falls ich das gesagt haben sollte, ist das dem Umstand geschuldet, dass die Klimakrise derzeit in aller Munde und vor allem auch auf der Agenda der Politik gelandet ist, während die Biodiversitätskrise als „Unterkrise“ der Klimakrise gesehen wird, was sie nicht ist. Experten wie der Glaubrecht müssen in ihrer Verzweiflung vielleicht mit Vergleichen arbeiten – vielleicht ist das auch die Einschätzung, zu der man gelangt, wenn man ein Leben lang zuschauen muss, wie alles den Bach runtergeht.

Ich halte es für ziemlich müßig, beide Krisen in ihrer Dimension vergleichen zu wollen, da beide Krisen das Potenzial aufweisen, uns als Menschheit von diesem Planeten zu fegen.

Die Corona-Pandemie ist durchaus auch der Biodiversitätskrise unterzuordnen; das habt ihr sicher in letzter Zeit auch in diversen Artikeln der größeren Medien (Süddeutsche, taz, Die Zeit etc.) lesen können. Im Grunde geht es dabei um die Auswirkungen der Naturzerstörung auf Populationen; bei Bedarf kann ich das näher erklären. Argumente, die eine Einschätzung der Bedeutung einer großen Biodiversität indizieren, habe ich in Ansätzen bereits gebracht. Unsere großen Ökosysteme wie der tropische Regenwald, die für unser Überleben unerlässlich sind, sind ein System einer lang anhalten Balance verschiedener Akteure: Pflanzen und Tiere, von denen oft die unscheinbarsten die größten Bedeutung aufweisen: Schaltet man zum Beispiel Tiere aus, die als Destruenten, Zerkleinerer oder sonst irgendwie direkt am Stoffkreislauf beteiligt sind, bricht das System zusammen und es entsteht ein unberechenbar, chaotisch veränderter Stoffkreislauf, der im schlimmsten Fall den Wald von einer CO2-Senke zu einem CO2-Emittenten umwandeln kann. Die meisten dieser Wechselwirkungen sind nicht erforscht, aber als Faustregel gilt in fast jedem Ökosystem: Je mehr Beteiligte, desto stabiler das Ökosystem. Wir spielen gerade ein wissenschaftlich recht interessantes Spiel, indem wir eine Komponente nach der anderen aus dem System herausschlagen, ohne die Wirkung dieser Komponente zu kennen. Bisher (das wird sich sicher noch ändern) ist der Teil verlorener Arten, die durch den Klimawandel verschwinden, der geringere Teil (im Falle der Meere wird eine Zunahme des CO2-Gehaltes in den Meeren natürlich unzweifelhaft apokalyptische Auswirkungen haben, wobei ausgerechnet die Korallen sogar in einer abgewandelten Form als Polypen überleben könnten). Nur mal kurz zu den Arten, welche wir bereits vernichtet haben: Das Verschwinden von Arten begann bereits lange vor den ersten Anzeichen des Klimawandels: Die Ursachen waren zunächst direkte Auswirkungen durch Jagd: Bereits die Ureinwohner Nordamerikas rotteten zahlreiche Arten aus – vermutlich auch in Zusammenhang mit natürlichen Klimaschwankungen (das Verhältnis der Wirkungen ist unter Experten umstritten). Dann führte der weltweite Schiffsverkehr zu einem ziemlich rabiaten Artensterben auf den Inseln, die unter eingeschleppten Arten litten und teils ihre gesamte endemische Flora verloren. Oft passierte das mit voller Absicht: Die Einschleppung von Arten diente der Versorgung der Schiffsbesatzungen; unbeabsichtigt wurden Ratten über den gesamten Erdball verteilt. Die Inselfloren und Faunen wurden immer eintöniger und ähnelten einander immer stärker. Heute ist das Problem natürlich noch viel gravierender; In den USA wurde die Hälfte aller Fledermäuse durch die Einschleppung eines Pilzes (der hieß mal Geomycens destructans, wurde aber umgetauft – den neuen Namen kann ich mir einfach nicht merken) ausgerottet. Der Pilz wurde vermutlich an den Schuhen von Höhlenforschern von Europa nach Amerika geschleppt. Unsere heimischen Fledermäuse kommen gut damit zurecht, die amerikanischen haben keine Immunantwort und sterben. Ein satter Prozentsatz aller Froschlurche wurde ebenfalls von uns durch die Verbreitung eines Pilzes weggemeuchelt. Es zieht sich wie ein langer, roter Faden durch die letzten 200 Jahre – mit immer rasanterem Tempo.

Die Ökosysteme befinden sich nach einer neuen Studie nur noch zu 3% der Erdoberfläche in einem naturnahen Zustand

– mehr als die Hälfte aller Wildtiere und ein ebenfalls sehr satter Prozentsatz der Arten sind bereits (überwiegend ohne Klimawandel) von unserem Planeten unwiderruflich verloren, ganz zu schweigen von den vielen Anpassungspotenzialen in Form von Genotypen. Somit machen wir den Tieren und Pflanzen auch noch nebenbei eine Anpassung an den Klimawandel unmöglich. Deutschland, das sich gerne als Vorreiter in Sachen Biodiversitätsschutz bezeichnet, ist an der Artenvernichtung eifrig beteiligt: Das eigene Territorium ist bereits stark degeneriert, in Ländern wie Brasilien lacht man uns ob dieser Inkonsequenz aus und nimmt unsere moralischen Ansagen zum Regenwald auch nicht ernst. Zudem ist unsere Wirtschaft einer Industrienation an zahlreichen Zerstörungswerken beteiligt: Rohstoffeinfuhr, natürlich auch Emissionen, Produktion von Müll etc. Zahlen zum Schwund der Artenvielfalt kann ich natürlich auch liefern, wenn es gewünscht wird. Einen Vergleich der Krisen in ihrer Zerstörungskraft erübrigt sich wohl.

Die Klimaschützer werden mit den Naturschützern eine Allianz schmieden müssen.

Am Ende benötigen wir eine Lösung, die der Quadratur des Kreises entspricht. Und die ebenfalls extrem komplizierten Wechselspiele mit den künftigen ökonomischen Anforderungen haben wir dabei noch gar nicht beachtet.

Boris: Vielen Dank bis hierhin, Axel. Das war nicht quälend lang, sondern eine interessante Zusammenfassung, die ich jetzt noch ein paarmal lesen muss und verarbeiten werde. ✌🙂

Axel: Prima Boris; schade, dass wir nicht alle mit einem kühlen Bierchen sitzen und uns „in echt“ unterhalten können. Bis ganz bald!

 

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Über Thomas Rinneberg 21 Artikel
Diplom-Technomathematiker; Software-Architekt