Eine häufige Meinung lautet, mit einem Elektroauto komme man nicht weit und das Laden dauere viel zu lange. Das ist natürlich verständlich, wenn man zu Grunde legt, wie bei fossilen Verbrennerfahrzeugen das Tanken vonstatten geht – nämlich ein- zweimal die Woche für einige Minuten. Allerdings: Wie lädt man denn sein Handy auf? Natürlich nicht ein- zweimal die Woche für einige Minuten, sondern jede Nacht im Schlaf! Und plötzlich erkennt man: Reichweite ist kein Wert an sich, sondern wichtig ist, dass das Auto zwischen zwei Ladungen so weit kommt, wie man damit fahren will. (1)
Heute kann man sagen, dass die Mehrheit aller alltäglichen Fahrten und sogar Urlaubsfahrten rein elektrisch möglich sind, denn die Reichweiten von Elektroautos steigen jedes Jahr und auch das Laden geht immer schneller vonstatten.
Genauso wie bei Verbrennerfahrzeugen steigt der Verbrauch bei höheren Geschwindigkeiten: Eine Verdopplung der Geschwindigkeit hat einen vierfachen Verbrauch zur Folge. (3) Ein VW ID3 mit 77kwh Akku beispielsweise schafft im Sommer bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 130 km/h eine Reichweite von 329 km, mit Tempo 110 sind es allerdings schon 411 km, mit Tempo 100 sogar 461 km. (4)
Wie schnell der Akku wieder voll wird, hängt von der Leistung des Stromanschlusses und der Leistung des bordeigenen Ladegeräts ab. Eine normale Haushaltssteckdose leistet ca. 3,5 Kilowatt, um einen Akku mit 50 kWh zu laden benötigt sie dafür also ca. 14 Stunden und die Stromleitungen können dabei sehr heiß werden. Daher sollte man immer eine sogenannte Wallbox montieren, die mit Drehstrom versorgt wird und in der Regel 11 kW leistet (technisch können die meisten Wallboxen auch 22 kW, dies wird aber vom Netzbetreiber reglementiert – diese Boxen finden sich oft in Parkhäusern oder Supermärkten). Damit kann man dieselbe Batterie schon in 5 Stunden aufladen. An Schnellladesäulen werden 50-300kW angeboten, aber meist können die Ladegeräte im Auto nicht mehr als 100kW aufnehmen. Dort wird unser Akku also in ca. einer halben Stunde wieder voll. Als Faustregel kann man sagen, zu Hause schafft man in einer Stunde ca. 10 kWh Akkukapazität, unterwegs das zehnfache. (5)
Wichtig ist außerdem, dass man einen Akku nicht voll lädt, wenn man schnell wieder weiter will, sondern nur bis ca. 80%. Der Grund dafür ist, dass danach das Batterie-Management-System dafür sorgt, dass alle Batterie-Zellen gleichmäßig geladen werden – und da manche Zellen schon voller sind als andere, kann dann nicht mehr so viel Energie in den Akku gepumpt werden. (5)
Wenn man eine längere Fahrt mit dem Elektroauto plant, gibt es dafür spezielle Routenplaner, welche die Ladepausen miteinbeziehen und gleichmäßig verteilen, so dass ein entspanntes Reisen möglich wird. (6,7,8) Man wird überrascht sein, dass die Stopps gar nicht so lang und so häufig sind wie befürchtet; und wenn man sie mit den üblichen Pausen zum Essen oder Austreten kombiniert, hat man kaum einen Zeitverlust gegenüber dem Verbrenner. Für das kleinste Fahrzeug in obiger Grafik, den BMW i3, benötigt man drei Ladepausen zu 25, 28 und 9 Minuten nach 1h 18min, 1h und 45min Fahrzeit für die Beispielstrecke von Frankfurt nach Leipzig. (6)
Auch das angebliche Problem, dass Elektroautos an kalten Tagen an Reichweite verlieren, ist in der Praxis keines: Denn ein Verlust tritt nur auf, wenn der Akku tatsächlich kalt ist – und das ist er nur, wenn man kurze Strecken fährt, und gerade dann braucht man ja keine große Reichweite. Bei längeren Fahrten und Schnellladestationen wird der Akku durch den Verbrauch bzw. die Ladung warm und hat dann keine Verluste mehr.
Selbst die Heizung im Winter fällt kaum ins Gewicht: Ein modernes Elektroauto verfügt über eine Wärmepumpe, welche max. 0,5-1 kW in der Stunde verbraucht. Bei einem modernen Elektroauto wie dem Hyundai Kona mit einem 64 kwH Akku kann man also mit einem halbvollen Akku ca. 30 Stunden lang bei geheiztem Innenraum den Stau abwarten. (9,10)
In Norwegen, wo es wesentlich härtere Winter als bei uns gibt und 2020 schon jedes zweite zugelassene Auto ein Elektroauto war, ist die Kälte jedenfalls kein Problem. (11)
Ein Elektroauto zu nutzen benötigt daher eine gewisse Änderung des eigenen Verhaltens: Häufiges Laden zu Hause anstatt selten an der Tankstelle, nicht Rasen, Pausen für Mensch und Fahrzeug kombinieren – dann hat man in der Praxis keine Einschränkungen und ist dafür mit viel weniger CO2-Ausstoß und ohne Lärm und Qualm unterwegs.
- https://www.eon.de/frag-eon/themen/e-mobility/article/e-auto-mythen-teil-2-stundenlanges-laden–2/
- https://twitter.com/faznet/status/1381710479123439619
- https://kirste.userpage.fu-berlin.de/chemistry/general/kfz-energetisch.html
- https://efahrer.chip.de/reichweitenrechner
- https://www.enbw.com/blog/elektromobilitaet/laden/die-ladeleistung-eines-elektroautos/
- https://abetterrouteplanner.com/
- https://de.chargemap.com/
- https://www.goingelectric.de/stromtankstellen/routenplaner/
- https://www.youtube.com/watch?v=wS1vYzHu8ig&t=23s
- https://www.eon.de/frag-eon/themen/e-mobility/article/e-auto-mythen-teil-5-ohne-klimaanlage-im-elektroauto-fahren/
- https://www.handelsblatt.com/politik/international/elektromobilitaet-warum-e-autos-in-norwegen-so-populaer-sind/26830672.html
- Artikelbild: https://twitter.com/koelleforfuture/status/1355894049656496129 (eigene Darstellung)
Diesen und weitere Artikel finden Sie unter https://energiewende.eu/kurzinfos
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