Dieser Artikel ist Teil einer Serie über alle Behauptungen zur Windenergie.
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Behauptung
Nachts blinken und flackern die Anlagen rot, was am Horizont sehr unruhig und bedrohlich wirkt. Man vergisst nie, dass die Anlagen da sind, selbst bei Dunkelheit nicht.
Diskussion
Gesetzliche Vorgaben
Die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen“ (AVV) schreibt vor, dass „Luftfahrthindernisse zu kennzeichnen sind, außerhalb von Städten und anderen dicht besiedelten Gebieten, wenn eine Höhe der maximalen Bauwerksspitze von 100 Metern über Grund überschritten wird.“ – dies trifft für Windenergieanlagen zu. (1) Zu unterscheiden sind hierbei Tages- und Nachtkennzeichnung:
Die Tageskennzeichnung schreibt vor, dass die Anlagen entweder rot-weiß-gestreifte Flügelspitzen haben müssen (in den festgelegten Farben RAL 2009 (orange) und RAL 9016 (weiß)) oder weißblitzende Feuer auf der Gondel.
Die Nachtkennzeichnung erlaubt ebenfalls zwei unterschiedliche Arten der Warnung: Entweder ein sogenanntes Hindernisfeuer geringerer Lichtstärke am höchsten Punkt der Anlage (d.h. der Flügelspitzen) oder Gefahrfeuer, die 20 bis 60 mal in der Minute rot blinken müssen, und auf der Gondel angebracht werden. Sie müssen so gebaut sein, dass sie von allen Seiten sichtbar sind, daher werden üblicherweise zwei Lampen angebracht. (2)
Bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung
Diese gesetzlichen Vorgaben führten zu dem bekannten nächtlichen Blitzen. Es war von Anfang an klar, dass dies kein Dauerzustand sein kann. Daher wurden nach und nach verschiedene Verbesserungen vorgenommen. Eine Beleuchtung der Flügelspitzen nur beim Durchgang im oberen Drittel ist technisch schwierig zu realisieren, daher wurde eine Sichtweitenregulierung eingeführt, d.h. bei klarem Wetter mit Sichtweiten über 10 km wird die Beleuchtung auf 10% gedimmt, bei Sichtweiten über 5 km auf 30%. (3)
Ende 2015 wurde eine bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung (BNK) zugelassen, die die Beleuchtung nur dann anschaltet, wenn sich ein Luftfahrzeug in einem Umkreis von 4 km und einer Flughöhe von weniger als 600 m befindet. (4) (5)
Es gibt drei Systeme, die diese temporäre Abschaltung realisieren, sie funktionieren alle nach dem Prinzip, daß Radar-Detektoren den Luftraum überwachen, das Nahen eines Flugzeuges von einem zentralen Computer erkannt wird, und dies über Kabel, Internet oder Funk an die Anlagen gemeldet wird (Abbildung 2).
Die Unterschiede bestehen im Wesentlichen in der Art der Radar-Detektoren:
- Primär-Radar-Systeme senden selbst ein Radarsignal aus, ähnlich wie bei Schiffen oder Flughäfen, welches vom Zielobjekt reflektiert wird. Die Reflexion wird empfangen, und über die Laufzeit kann die Entfernung zum Objekt berechnet werden (6)
- Sekundär-Radar-Systeme senden ein deutlich schwächeres Radarsignal aus, dieses wird von einem Transponder im Zielobjekt empfangen und beantwortet. Derartige Transponder sind in allen Flugzeugen vorgeschrieben (7)
- Passiv-Radar-Systeme nutzen bereits vorhandene Funksignale wie z.B. Radiosender, um aus deren Ablenkung in einem aufwendigen Algorithmus die Position des Objektes zu bestimmen. (8)
Seit Ende 2015 ist die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung grundsätzlich zugelassen (9), allerdings zunächst nur Primär-Radar-Systeme, was eine Ausrüstung der Windparks mit bedarfsgerechter Abschaltung teuer und aufwendig machte. 2018 wurde von der deutschen Flugsicherung auch ein Passiv-Radar-System anerkannt. (10) Schließlich wurde die Verwaltungsvorschrift derart geändert, dass für BNK-Systeme auch Sekundär-Radar zulässig ist (4), und sie darüber hinaus für viele Windpark-Betreiber verpflichtend sind; zunächst ab dem 01.07.2021 (11), inzwischen wurde diese Frist auf den 31.12.2022 verlängert, um den Betreibern genügend Zeit zum Einbau der Systeme zu geben. (12)
Ab Ende 2022 wird daher nächtliches Dauerblinken bei den meisten Windparks der Vergangenheit angehören.
Fazit
Es war ein langer Weg, bis die technischen und gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen wurden, um die Anforderungen der Flugsicherung und der Anwohner in Einklang zu bringen, aber jetzt werden nach und nach alle Windparks mit bedarfsgerechter Befeurung ausgestattet, so daß die Anlagen nachts meistens dunkel sein werden.
Quellen
- Bundesregierung. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen. [Online] : juris GmbH, 24.4.2020. https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_24042020_LF15.htm.
- Ratzbor, Günter. Grundlagenarbeit für eine Informationskampagne „Umwelt- und naturverträgliche Windenergienutzung in Deutschland (onshore)”, Analyseteil. Lehrte : Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V., 30.3.2012. https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/documents/10184/61110/Windkraft-Grundlagenanalyse-2012.pdf/656de075-a3d2-4387-aa30-7ec481c46c5c.
- Enertrag. Dark sky – nichts blinkt. [Online] : Das erneuerbare Energiesystem. https://enertrag.org/2201-2/dark-sky/.
- Dark Sky. Bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung. Neubrandenburg : Dark Sky GmbH, 2020. https://www.dark-sky.com/.
- Bundesregierung. Anforderungen an die bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung (BNK). [Online] : juris GmbH, 24.4.2020. https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/BMVI-LF15-20200424-SF-A006.htm.
- Wikipedia. Primärradar. 2020. https://de.wikipedia.org/wiki/Prim%C3%A4rradar.
- —. Sekundärradar. 2020. https://de.wikipedia.org/wiki/Sekund%C3%A4rradar.
- —. Passives Radar. 2020. https://de.wikipedia.org/wiki/Passives_Radar.
- Roscher, Marianna. BNK – Genehmigt! Berlin : Fachagentur Windenergie an Land e.V. https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/FA_Wind_Hintergrund_BNK_Genehmigt_02-2019.pdf.
- Heckenbach, Jörg. Passiv-Radar steuert Nachtkennzeichung von Windkraftanlagen. Wachtberg : Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR. https://www.fhr.fraunhofer.de/de/geschaeftsfelder/mensch_und_umwelt/passiv-radar-steuert-nachtkennzeichnung-von-windkraftanlagen.html.
- Salzwedel, Jasper. Bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung BNK. [Online] : Deutsche Windtechnik. https://www.deutsche-windtechnik.com/bedarfsgesteuerte-nachtkennzeichnung-bnk.
- Bundesnetzagentur. Beschluss in dem Verwaltungsverfahren zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung von Windenergieanlagen nach § 9 Absatz 8 des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG 2017). [Online] : Bundesnetzagentur, 05.11.2020. https://bnk-wind.de/wp-content/uploads/sites/12/2020/11/BK6-20-207_beschluss.pdf.
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