Dieser Artikel ist Teil einer Serie über alle Behauptungen zur Windenergie.
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Behauptung
Die Gewinn-Angaben für neue Anlagen sind regelmäßig viel höher als die dann tatsächlich erreichten Einkünfte, insbesondere in Schwachwind-Gebieten. Die Windhöffigkeit wird regelmäßig von den Investoren zu hoch eingeschätzt, am Ende liefern die Anlagen viel weniger Strom als projektiert. Trotzdem bekommen sie wegen des Referenzertragsmodells so viel Geld, dass es sich finanziell lohnt.
Diskussion
Ertragsprognosen
Tatsächlich ist es so, dass ältere Anlagen in den letzten Jahren weniger Strom produziert haben, als in früheren Jahren (siehe Abbildung 1). Die Ursache dafür ist der Klimawandel (der ja mit den Windrädern abgemildert werden soll) – es gibt mehr Sonnen- und weniger Windstunden.
Trotzdem bleibt die Windenergie die ertragreichste der erneuerbaren Energien (siehe Abbildung 2).
Gleichzeitig steigt aber mit zunehmender Anzahl von Windenergieprojekten auch das Wissen über Wetter- und Windbedingungen. Die Windgutachten werden also tendenziell immer besser. Die Gutachter tauschen sich in verschiedenen Gremien untereinander aus, um die Vorhersagewahrscheinlichkeiten weiter zu optimieren. Ein wichtiges Gremium ist zum Beispiel der Windgutachter-Beirat des BWE (2).
Natürlich ist für den Ertrag eines Windenergieprojekts immer der Standort und die Topografie mitentscheidend. An einigen Standorten herrscht eine höhere Windhöffigkeit als an anderen. Man unterscheidet zwischen Starkwindgebieten und Schwachwindgebieten. Für beide Gebiete gibt es unterschiedliche Anlagenmodelle, die die jeweiligen Windeigenschaften berücksichtigen (etwa schon bei weniger starken Winden anlaufen können). In Deutschland sind die Küstenregionen der Nordsee die windhöffigsten Gebiete, aber auch auf den Kämmen der Mittelgebirge herrschen sehr gute Windbedingungen (Abbildung 3).
Die Windhöffigkeit wird schon bei der Ausschreibung der Windeignungsgebiete durch die Länder berücksichtigt. Ein Beispiel ist der Windatlas des Landes Baden-Württemberg, der sehr kleinräumig und genau Topographie und Vegetation modelliert und durch Windmessungen ergänzt, um die Standorte mit den besten Windbedingungen zu wählen. (3)
Die Projektierer/Betreiber erwirtschaften ihre Gewinne ausschließlich durch den erzeugten Strom. Daher haben sie kein Interesse daran, zu hohe Prognosen abzugeben oder Anlagen in windschwachen Gebieten zu errichten, in denen sich die Errichtung nicht amortisiert.
Referenzertragsmodell
Das Referenzertragsmodell wurde eingeführt, um auch eine Errichtung von Anlagen an nicht ganz so windstarken Standorten wirtschaftlich zu machen, gleichzeitig wird es verwendet, um Angebote bei Angebotsausschreibungen bundesweit vergleichbar zu machen, obwohl die Anlagen an verschiedenen Standorten errichtet werden. Andernfalls würden Windenergieanlagen fast nur an der deutschen Nord- und Ostseeküste errichtet, und der Strom müsste quer durch Deutschland nach Süden transportiert werden. Dies ist in der Tat eine andere Kritik an der Energiewende, die aber durch eben das Referenzertragsmodell verhindert werden soll. (5)
Das Modell funktioniert folgendermaßen: Jede neu entwickelte Windenergieanlage wird zuerst virtuell am sogenannten Referenzstandort errichtet. An diesem virtuellen Standort weht ein konstanter Wind mit einem festgelegten Höhenprofil (weiter oben weht mehr Wind). Für diesen Standort kann der Anlagenbauer berechnen, wie groß der Ertrag innerhalb von 5 Jahren wäre, das ist der sogenannte Referenzertrag (RE). Im Ergebnis gibt es lange Listen von Referenzerträgen für jeden Anlagentyp aller Hersteller.
Am tatsächlichen Standort kann man nun mittels Gutachten und mit Hilfe des Windatlas schätzen, wie groß der Ertrag wahrscheinlich sein wird, wenn man dieselbe Anlage am tatsächlichen Standort errichten würde. Dies ist der Standort-Ertrag (SE). Dieses Gutachten muss vor Antragstellung vorliegen.
Teilt man nun den Standortertrag SE durch den Referenzertrag RE, so erhält man einen Faktor, die sogenannte Standortgüte SG. Jeder Standortgüte nun wird im EEG ein sogenannter Korrekturfaktor zugeordnet, der umso höher ist, je niedriger die Standortgüte. Bei Standorten mit einem Ertrag von weniger als 60% des Referenzertrags verzinst sich das eingesetzte Kapital in der Regel nicht, für Investoren gelten 80% als untere Grenze. Das Ausschreibungs-Angebot muss für den Referenzstandort abgegeben werden, tatsächlich ausbezahlt wird dann aber das Angebot multipliziert mit dem Korrekturfaktor. (6) (7)
Beispiel: Könnte der Betreiber seine Anlage am Referenzstandort errichten, dann bräuchte er z.B. 5 ct/kWh um wirtschaftlich zu sein. Tatsächlich wird er die Anlage an einem Standort errichten, der nur 80% des Ertrags liefert wie der Referenzstandort (laut Gutachten), also bekommt er 5,80 ct/kWh ausgezahlt. Interessant ist nun der tatsächliche Verlauf des Korrekturfaktors abhängig von der Standortgüte (Abbildung 4): Er liegt an windschwachen Standorten unterhalb dessen, was mathematisch nötig wäre, um den Minderertrag vollständig zu kompensieren (nämlich 1/SG), und kappt den Mehrertrag an windstarken Standorten ebenfalls entsprechend weniger. Dies bedeutet, dass es sich trotz des Referenzertragsmodells lohnt, an möglichst ertragreichen Standorten zu bauen. Nur falls der Korrekturfaktor das Inverse der Standortgüte wäre, wäre es egal, wo man eine Anlage aufstellt.
Darüber hinaus enthält die Vergütungssystematik des EEGs noch zahlreiche weitere Fallstricke, so z.B. die Tatsache, dass der höhere Auszahlungsbetrag nur für die fünf ersten Betriebsjahre garantiert ist, und darüber hinaus um je 2 Monate für jede 0,75%, die die Anlage unter 150% des Referenzenergiebetrages erwirtschaftet, verlängert wird. Bei dieser Vorschrift werden sogar Zeiten berücksichtigt, in denen die Anlage hätte produzieren können, aber wegen Überschussstrom abgeschaltet werden musste – der Betreiber hat also kein Geld verdient, aber die Anlage hat ordentlich virtuellen Strom produziert, der die Auszahlungsdauer des erhöhten Betrages verkürzt. (9)
Fazit
Der Klimawandel macht auch dem Ertrag von Windrädern zu schaffen, trotzdem bleibt er wichtigster Energieträger in Deutschland, gleichzeitig werden die Ertragsprognosen immer besser. Das Referenzertragsmodell bietet einen gewissen Ausgleich innerhalb des Ausschreibungssystems (welches nebenbei bemerkt zu einem unvergleichlichen Einbruch im Ausbau der Windenergie in Deutschland geführt hat), um Anlagen außerhalb der Küsten eine Chance zu geben, Ausschreibungen zu gewinnen – trotzdem müssen die Anlagen auch im Binnenland an möglichst windhöffigen Standorten errichtet werden, damit sie sich finanziell lohnen.
Quellen
- Fraunhofer ISE. Monatliche Stromerzeugung in Deutschland in 2020. [Online] : energy-charts, 2020. https://energy-charts.de/energy_de.htm.
- BWE. Windgutachterbeirat. [Online] : Bundesverband WindEnergie, 2020. https://www.wind-energie.de/verband/fachgremien/beiraete/windgutachterbeirat/.
- AL-PRO GmbH & Co. KG. Windatlas Baden-Württemberg 2019. Großheide : Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2019. https://www.energieatlas-bw.de/documents/24384/139536/Endbericht+Windatlas+BW+2019.
- DWD. Windkarten zur mittleren Windgeschwindigkeit. Offenbach : Deutscher Wetterdienst Klima- und Umweltberatung, 2000. https://www.dwd.de/DE/leistungen/windkarten/deutschland_und_bundeslaender.html.
- BMWi. Was ist eigentlich das „Referenzertragsmodell“? [Online] : Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 23.2.2016. https://www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2016/04/Meldung/direkt-erklaert.html.
- FGW e.V. Referenzertragsverfahren. Berlin : Fördergesellschaft Windenergie und andere Dezentrale Energien. https://wind-fgw.de/themen/referenzertraege/.
- Wikipedia. Referenzertrag. 2020. https://de.wikipedia.org/wiki/Referenzertrag.
- Fachagentur Windenergie an Land. Berechnungsmodul Korrekturfaktor gemäß §36h Abs.1 EEG 2017. [Online] : Fachagentur Windenergie an Land, 2018. https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/EEG/FA_Wind_Rechenmodul_Korrekturfaktor_EEG_2017.xls.
- Maslaton, Martin. Fallstricke im Vergütungsdschungel: Wie lange ist die erhöhte WEA-Anfangsvergütung zu zahlen? [Online] : Windindustrie in Deutschland, 2020. https://www.windindustrie-in-deutschland.de/fachartikel/fallstricke-im-verguetungsdschungel-wie-lange-ist-die-erhoehte-wea-anfangsverguetung-zu-zahlen.
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